© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
Der verhaßte Bürgerwille
Sachsen-Anhalt: Die Bevölkerung Halles fordert Hilfe gegen kriminelle Asylanten – und erhält eine einzige Zusage
Thomas Hartenfels

In einem Offenen Brief an den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner (SPD), hat der CDU-Stadtrat von Halle/Saale, Wolfgang Kupke, rechtsstaatliches Eingreifen gegen das "Drogendealen von Schwarzafrikanern" in der Öffentlichkeit gefordert.

Danach sieht Kupke, der von 1992 bis 1996 Ausländerbeauftragter Sachsen-Anhalts war, eine der Ursachen von Fremdenfeindlichkeit in dem fehlenden polizeilichen Vorgehen gegen die schwarzafrikanisch dominierte Drogenszene in Halle. Er schreibt: "Wenn Afrikaner vor aller Augen Straftaten begehen, Kinder und Jugendliche gefährden und niemand etwas dagegen unternimmt, dann muß es keinen verwundern, wenn Fremdenfeindlichkeit entsteht." Gleichzeitig gibt Kupke auch die diskreditierende Wirkung krimineller Ausländer für den "überwiegenden Teil der Ausländer, die sich rechtstreu verhalten", zu bedenken.

Zu dem Schreiben veranlaßt sah sich Kupke aufgrund der zahlreichen Beschwerden von Bürgern aus Halle, darunter viele Eltern. Auch die Schulleiter von vier Schulen wandten sich in einem Brief an die Politik, mit der Bitte "den Weg zur Schule sicher und den Lebensraum unserer Schüler wieder lebenswert und angstfrei zu machen", da "eine Gruppe von zirka 20-30 Schwarzafrikanern" Drogenhandel auf den Treppen von Straßen- und S-Bahn betreibt. Jugendliche wurden bereits mehrfach Opfer der Beschaffungskriminalität von Abhängigen. Öffentliches Verrichten der Notdurft und achtlos weggeworfene Spritzen sind Belästigungen, denen sich Schüler, Lehrer und Anwohner täglich durch die Drogenszene ausgesetzt sehen, heißt es in dem Brief der Direktoren.

Trotz Kupkes differenzierter Betrachtung des Problems rügt der Adressat von Kupkes Offenem Brief, Ministerpräsident Höppner, den Schreiber mit dem Vorwurf, er habe "alle Schwarzafrikaner unter den Generalverdacht des Drogenhandels gestellt".

Auch von seinen ehemaligen Parteikollegen wird der Ex-Grüne Kupke unter Beschuß genommen. So bescheinigt ihm der Regionalverband Halle-Saalkreis der Bündnisgrünen "(latent) ausländerfeindliche Ressentiments" und Unverantwortlichkeit im Handeln. Bei der PDS, mit 25 Prozent zweitstärkste Kraft im Stadtrat von Halle, stoßen Kupkes Äußerungen ebenfalls auf Ablehnung. Rücktrittsforderungen werden geäußert, denn der Sprecher der PDS-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt, Stefan Gebhardt, sieht "Stammtischniveau" bei jedem, der den Anteil von Asylanten an ausländischen Drogenkriminellen anspricht.

SPD-Fraktionschef im Landtag von Sachsen-Anhalt, Rüdiger Fikentscher, lehnt es sogar ab, Drogen und Asyl in einem Atemzug zu nennen. Für ihn steht fest: "Drogenhandel ist ein Verbrechen, Asylbewerber sind keine Verbrecher." Der Vize-Regierungssprecher Theo Struhkamp (SPD) rät Kupke für die Zukunft "äußerste Zurückhaltung in ausländerpolitischen Fragen." Der FDP-Fraktionschef im Stadtrat zeigt sich "erschreckt" und sieht das Schreiben als "Freibrief für Rechtsradikale" an.

Auch Kupkes Partei steht nicht geschlossen zu ihm. Der CDU-Landeschef Wolfgang Böhmer meint, Kupke habe das Problem drogenverkaufender Asylanten "emotional vereinfacht", und betont, daß er Kupke nicht verteidigen wolle. Völlig außer acht gelassen wird bei allen Vorwürfen gegen den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler die polizeiliche Kriminalstatistik des Landes Sachsen-Anhalt, wo festgehalten ist, daß rund 90 Prozent der ermittelten ausländischen Drogenhändler Asylanten sind.


 
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