© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
Otto Schily
Sperriger Minister
von Werner Olles

Zu seinem Amtsantritt schlug er harte Töne an. Statt der erhofften Liberalisierung forderte er eine Aufrüstung der Sicherheitsbehörden und wahrte damit die Kontinuität zur Linie seines CDU-Vorgängers Kanther. Angesichts seiner Law-and-Order- Äußerungen stöhnten SPD-Linke und Grüne auf, die "Jungle World" bezeichnete ihn gar als "eine Mischung aus Rudolf Steiner, Max Weber und Robocop".

Otto Schily hat eine bewegte politische Karriere hinter sich. 1932 in Bochum geboren, wuchs er in einem anthroposophischen Elternhaus auf. Eigentlich wollte er Dirigent werden, begann jedoch dann ein Jurastudium und eröffnete 1963 in Berlin eine Anwaltskanzlei. Im Gegensatz zu manchen Kollegen empfand er für seine RAF-Klienten keine politischen Sympathien. Ende der siebziger Jahre gehörte er zu den Mitbegründern der Grünen. Als man dort noch über die "Gewaltfrage" diskutierte, forderte er, man habe sich auch von der "Gewalt gegen Sachen" zu distanzieren. Diese rechtsstaatliche Haltung und sein anthroposophisch geprägtes Naturverständnis kollidierten schon bald mit den Ideen der Ebermänner, deren geschlossenes Weltbild mit eigenen Ritualen und eigenem Sprachcode er nie nachvollziehen konnte.

1989 erfolgte sein Übertritt zur SPD. Eine "Hausmacht" hat der politische Solist Schily jedoch auch hier nicht. Das Genossen-"Du" erscheint ihm bis heute unangemessen, sozialdemokratischer "Stallgeruch", eine biographische oder kulturelle Nähe zur Arbeiterbewegung sind ihm, der von sich selbst gern als "der Bundesinnenminister" spricht und sich in der Tradition Wilhelm von Humboldts sieht, fremd geblieben. Seine Auffassung, 97 Prozent aller Asylbewerber seien nicht "asylwürdig" und die "Grenzen der Belastbarkeit durch Zuwanderung überschritten", ist erstaunlich realistisch. Politisch korrekte Asylbeschlüsse seiner Partei konterte er mit der ironischen Bemerkung: "Die SPD kann viel beschließen, auch daß morgen die Sonne scheint." Als Schily wegen der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber von der PDS zum Rücktritt aufgefordert und von den Grünen beschuldigt wurde, "das Fundament der Koalition zu untergraben", attestierte ihm der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, daß es mit der SPD "keine substantielle Änderung des Asylrechts" geben werde.

Ein Coup gelang Schily mit der Berufung der CDU-Politikerin Rita Süßmuth zur Vorsitzenden der "Einwanderungskommission". Zwar zierte sich die eitle Dame zunächst, um sich schließlich um so williger zu entblößen und unter bösen Blicken und Kommentaren der CSU allen die Zerrissenheit und Planlosigkeit der Union beim Thema Einwanderung vorzuführen.

Wenn der Anspruch auf Realismus gelegentlich dann doch ein Bündnis mit der politischen Korrektheit eingeht, schimmern unter der aufgesetzten Frische wieder die alten, verbrauchten Konzepte hervor.


 
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