© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000

 
PRO&CONTRA
Kampfhunde einschläfern?
Heike Müller / Dr. Dieter Fleig

Alle zehn Minuten wird in Deutschland ein Mensch
von einem Bello, Rex oder Fifi angefallen. Die Dunkelziffer liegt weit höher. Die Boulevardpresse ist voll von den Untaten gemeingefährlicher, abgerichteter Kampfköter.

Angler, Briefträger oder Parkbesucher können ein Lied davon singen. "Der tut nichts", ist der Standardspruch eines Herrchens, wenn man als Jogger vor einem solchen Ungetüm steht. Ja, der tut dem Herrchen nichts. Aber kleine Kinder zerfleischt er hin und wieder schon. Er ist nämlich nicht der beste Freund des Menschen, sondern der beste Freund des Besitzers.

Waffenbesitz erfordert in Deutschland gute Gründe und einen Waffenschein. Aber einen Kampfhund mit einem eigenen (bösartigen) Willen kann sich jedermann anschaffen. Ein irrer Halter samt Kampftöle ist dann gefährlicher als ein braver Bürger mit einem Maschinengewehr unter dem Bett.

Die meisten Hundebesitzer schaffen sich den Hund ohnehin an, weil sie selbst verhaltensgestört sind. Sie benötigen ein Statussymbol oder einen Gesprächspartner mit einem gleichhohen IQ. Und das Sozialamt subventioniert all das noch mit Transferleistungen für Hundefutter!

Es gäbe gar keine Kampfhunde, argumentieren die Hundehalter. Die so bezeichneten Kreaturen seien abgerichtet oder mißhandelt worden.

Auch gut. Das beweist, daß jedes Tier zu einem Kampfhund werden kann. Ein Hund braucht – wie ein Wolf – Auslauf, den hat er aber nur auf dem Lande und nicht in einer Stadt. Fehlender Auslauf macht Hunde aggressiv – behaupten Tierschützer.

Deshalb sollten alle Hunde in deutschen Städten sofort eingeschläfert werden. Einzig Blinde, die Polizei und der Zoll sollten Hunde besitzen dürfen. Sämtliche Kompromisse, die letztlich die Polizei zur Kontrolle und Aufsicht über Hund und Herrchen verdonnern, sind völlig unpraktikabel.

 

Heike Müller ist Diplomingenieurin, Wissenschaftsjournalistin und Mutter von drei Kindern. Sie lebt in Hamburg.

 

 

Alle vorliegenden wissenschaftlichen Gutachten stimmen überein, daß die Gefährlichkeit eines Hundes nicht durch Rassezugehörigkeit, sondern vielmehr durch Aufzucht, Frühprägung und Erziehung bestimmt wird.

Nach dem Tierschutzgesetz ist es verboten, ohne vernünftigen Grund ein Tier zu töten. Es ist sicher kein stichhaltiger Grund für die Euthanisierung, daß zufällig ein Hund gleicher Rasse einen Menschen getötet hat. Auch bei Hunden gibt es keine Kollektivhaft oder Kollektivschuld. Ich sehe auch keine Rechtfertigung zum Töten, weil viele Menschen Angst vor Hunden haben. Dabei darf nicht übersehen werden, daß diese Angst erst durch jahrzehntelange Medienhetze entstanden ist. Einzelne Unfälle aus aller Welt wurden schlagzeilenträchtig ausgeschlachtet und lösten viel Angst aus. Und diese Verunsicherung führte zu neuem Fehlverhalten. Ein Teufelskreis!

Der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel leitet das Recht auf das Hundepogrom aus der Tatsache ab, daß "bei bloßem Verdacht auf Schweinepest die rechtliche Grundlage besteht, Hunderttausende von Schweinen zu keulen". Man sollte diese Politiker erinnern, daß unsere Hunde in aller Regel voll integrierte "Familienmitglieder" sind. Hinter vielen jetzt bedrohten "Kampfhunden" steht eine ganze Familie mit Kindern, die diesen Hund lieben. Ist das für Politiker, Medien und Beamte noch zu erkennen?

Übrigens: Wer soll die Todesspritze setzen – die Politiker oder unsere Tierärzte und Tierschutzvereine, deren Lebenswerk dem Schutz unserer Tiere gewidmet ist? Und wo sind die Politiker, die im Bundestag knapp die Zweidrittel-Mehrheit verfehlten, als die Aufnahme des Tierschutzes in unser Grundgesetz zur Abstimmung stand?

Tötung gefährlicher Hunde – gleich welcher Rasse: Ja – um Menschen zu schützen! Ausrottung sogenannter "Kampfhunde", einfach weil sie einer bestimmten Hunderasse angehören: Nein!

 

Dr. Dieter Fleig ist Verleger zahlreicher Bücher und Fachmann vor Gericht zum Thema sowie im Vorstand der Gesellschaft für Haustierforschung.


 
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