© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/00 07. Juli 2000


Der düpierte Papst
von Alexander Schmidt

Offenbar ist im Kampf um die Schwangerenberatung ohne Schein das letzte Wort noch nicht gesprochen – meinen die deutschen Bischöfe und stellen sich damit weiterhin gegen die Bitte des heiligen Vaters in Rom, aus der Schwangerenkonfliktberatung auszusteigen. Erstmals wandte sich der Papst 1998 an die deutschen Hirten. Erfolglos.

Auch ein weiterer Brief im Juni 1999 stieß auf taube Ohren. Wie viele Schreiben noch aus Rom kamen, kann nur vermutet werden. Jetzt ist ein weiterer Brief aufgetaucht, der bisher von den Bischöfen geheimgehalten worden ist – nicht einmal die gesamte deutsche Bischofskonferenz kennt den Inhalt: Die Weisung an Geistliche und Laien, keine Scheine mehr zu vergeben und das Projekt "Donum Vitae" zu stoppen. Die Tatsache, daß verbindliche Weisungen aus Rom aus Unwillen darüber geheimgehalten werden, ist eine Sache, in der zivilen Arbeitswelt sicherlich einen Rechtsstreit wegen Urkundenunterdrückung wert.

Für die obersten Reihen der katholischen Kirche in Deutschland ist dies aber eine Bankrotterklärung, Zeichen einer überheblichen Eigenmächtigkeit und Ausdruck des Verlustes von Verantwortungsgefühl gegenüber ihrem heiligen Vater. Auch hier ist der politische Machtkampf spätestens jetzt kein Fremdwort mehr. Während in der heiligen Messe um die Einheit der katholischen Kirche und für deren Bischöfe Gebete gesprochen werden, arbeiten diese an allem anderen. Hier offenbart sich ein Bruch zwischen der sogenannten Basis und einer Führungsebene, der zur Zeit wohl allgegenwärtig ist – erkennbar auch bei der Wendung des Blicks von der Kanzel in das weltliche Geschehen, dem eigentlichen Auslöser des Streits.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen