© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/00 30. Juni 2000


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Erfolgsorientiert
Karl Heinzen

In einer demokratischen Partei sind Personalfragen immer wieder auch Sachfragen. Wenn es Jürgen W. Möllemann an die Spitze der FDP drängt, treibt ihn daher sicher nicht allein der Wunsch, seine glanzvolle Karriere durch dieses Amt zu krönen. Und wenn Wolfgang Gerhard, der ursprünglich dazu auserkoren worden war, der letzte Parteivorsitzende zu sein, sich weigert, diesen Auftrag an einen Nachfolger wei- terzugeben, sollte dahinter nicht gleich die Eitelkeit eines Mannes vermutet werden, der die FDP dadurch im Gespräch halten will, daß man immer wieder über seine Ablösung spekuliert. Beide Politiker haben sich vielmehr so weit vorgewagt, daß ihre Namen mit Vorstellungen verbunden werden könnten und die Wahl zwischen ihnen den Parteimitgliedern fast schon wie eine Rich-tungsentscheidung vorkommen muß.

Auf der einen Seite stehen Wolfgang Gerhard und der mit ihm durch den unbedingten Willen zur unmittelbaren Nachfolge verbundene Guido Westerwelle: Sie stehen für eine FDP, die für den Wähler erkennbar bleibt, eine FDP, die menschlich ist, weil sie sich noch freuen kann, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nimmt, eine FDP, die endlich auch jenen in unserer Gesellschaft Gerechtigkeit widerfahren lassen will, die der Steuerprogression nur durch die Flucht in hohe Einkommen ausweichen konnten.

Jürgen W. Möllemann hingegen steht für eine Philosophie, die den bisherigen Rahmen der FDP als Honoratiorenpartei sprengt. Dabei ist seine Überlegung einfach nachzuvollziehen: Alles, was die FDP sagt, könnte sowieso in dieser oder auf eine andere Weise auch von einer anderen Partei (oder von einer Strömung in einer solchen) gesagt worden sein. Wer das Profil darüber hinaus schärfen will, baut fahrlässig Hemmschwellen auf, die die Anhänger anderer Parteien davon abhalten könnten, FDP zu wählen. Wer es hingegen versteht, ein gesundes Maß an Unverbindlichkeit zu kultivieren, hat das Zeug zur Volkspartei. In diese Bestimmung muß sich die FDP fügen. Wenn die Wähler ein Einsehen haben, dürften 18 Prozent der Stimmen nicht länger ein Problem sein.

Es ist ein ganz neuer Ansatz von Populismus, der mit Jürgen W. Möllemann seinen Anfang nehmen könnte, ein Populismus, der sich an den Erfolgen orientiert, die mit ihm in zahlreichen europäischen Staaten erzielt wurden und werden, der sich aber den Methoden und Themen, auf die man dabei setzte, konsequent verschließt. Es mag ja sein, daß die politischen Verkrustungen in anderen Länder eine drastische Vorgehensweise rechtfertigten. Der deutsche Wähler jedoch ist sensibel genug, um so etwas nicht zu schätzen. Aus seinem historischen Erfahrungswissen heraus fühlt er sich nur bei jenen Politikern geborgen, die ihm nicht aus dem Herzen sprechen. Wichtiger als der Wille zur Veränderung, den ein Politiker zeigt, sind die Grenzen, die er ihr setzt. Niemand kann ausschließen, daß Jürgen W. Möllemann auch noch in diese Rolle hineinwächst.


 
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