© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
Nationale Integrität
Die Schlacht von Fehrbellin 1675
Matthias Bath

Am 18. Juni jährte sich zum 325. Mal der Tag der Schlacht von Fehrbellin, mit der Brandenburg-Preußens Aufstieg zur Führungmacht in Deutschland begann.

Mitte Dezember 1674 waren schwedische Truppen vom damals schwedischen Vorpommern aus im französischen Auftrag in die Mark Brandenburg eingefallen, um den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm zur Lösung aus der im Rahmen des 2. Niederländischen Krieges bestehenden antifranzösischen Allianz zu zwingen. Als dieses Ziel im Frühjahr 1675 noch nicht erreicht war, kam es zu erheblichen Greueltaten schwedischer Truppen gegen die brandenburgische Bevölkerung. Außerdem begann Schweden nunmehr mit der systematischen Besetzung des brandenburgischen Gebiets, so daß im Frühsommer 1675 große Teile Brandenburgs in schwedischer Hand waren.

Ende Mai 1675 wandte sich daraufhin Kurfürst Friedrich Wilhelm mit seiner Armee der bedrohten Heimat zu. Angesichts des anrückenden brandenburgischen Heeres zogen sich die Schweden nach Norden zurück. Ihr Ziel war das Flüßchen Rhin, dessen sumpfiges Luchgebiet praktisch einen Riegel bildete. Hinter diesem natürlichen Hindernis, das nur auf wenigen Dämmen überquert werden konnte, wollten sie den brandenburgischen Vormarsch aufhalten. In der Nähe eines dieser Übergänge, des Passes von Fehrbellin, kam es dann am 18. Juni 1675 zur Entscheidungsschlacht. Hier stellte sich das schwedische Hauptheer in einer Stärke von 11.000 Mann mit 38 Kanonen der nachstoßenden brandenburgischen Armee, die nur aus 5.000 Reitern mit 13 Kanonen bestand, zum Kampf.

Bereits bei Tagesanbruch konnten die Brandenburger günstige Stellungen für ihren Hauptangriff erkämpfen. Am Ende dieser Angriffe war der rechte Flügel der schwedischen Aufstellung aufgerieben, und die übrigen Teile der schwedischen Armee zogen sich auf Fehrbellin zurück, das sie in den Mittagsstunden des 18. Juni 1675 erreichten, um sich dort zur Verteidigung einzurichten. Aufgrund der allgemeinen Erschöpfung war die Schlacht damit beendet.

In der Nacht zum 19. Juni 1675 räumten die Schweden auch die Stadt Fehrbellin und zogen sich über den "Paß von Fehrbellin" nach Norden zurück. An den Aufbau einer Verteidigungslinie nördlich des Rhinluchs war nicht mehr zu denken. Statt dessen räumten die Schweden die Mark Brandenburg vollständig und zogen sich nach Vorpommern zurück, wo am 22. Juni von der ursprünglichen Armee von 12.000 Mann nur noch 4.000 Mann eintrafen.

Die Bedeutung der Schlacht von Fehrbellin liegt nicht nur darin, den Ruhm des Großen Kurfürsten begründet zu haben und den Beginn der brandenburgisch-preußischen Militärtradition zu markieren. Es handelte sich auch um den ersten Konflikt der Neuzeit, der in Deutschland unter nationalen Vorzeichen geführt wurde. Aus moderner Sicht handelte es sich zudem um einen Verteidigungskrieg gegen einen ausländischen Aggressor. Dabei stellte sich die schwedische Aggression, dem Stil der damaligen Zeit entsprechend, als typischer Kabinettskrieg dar, während der Kampf der brandenburgischen Verteidiger zunehmend Züge eines echten Volkskrieges annahm. Die schwedische Aggression schweißte die Interessen von Bevölkerung und Herrscherhaus in bis dahin nicht gekannter Weise zusammen. Aus dieser Interessenidentität resultierte wiederum eine hohe Motivation der brandenburgischen Landstände zur Verteidigung ihrer Heimat.

Die Auseinandersetzung gewann auf brandenburgischer Seite vor allem auch dadurch den Charakter eines modernen Nationalkrieges, daß der Kurfürst, der in einer Flugschrift an deren Leser appellierte: "Gedenke, daß du ein Deutscher bist", sich im Verlaufe des Kampfes zunehmend bemühte, einen allgemeinen Kampf der Deutschen gegen die Schweden zu initiieren, um diese aus den durch den Westfälischen Frieden erworbenen Gebieten in Mecklenburg-Vorpommern zu vertreiben.

Auch die kurfürstlich-brandenburgische Armee wurde durch Appelle und Befehle des Kurfürsten und seiner Offiziere derart stark motiviert, daß sie in ihrer Kampfmoral den Schweden weit überlegen war. Dies ist vor allem wegen des hohen Anteils Landesfremder in der brandenburgische Armee bemerkenswert. Dabei mag der Appell an das deutsche Nationalgefühl auch diejenigen Soldaten angesprochen haben, die keine Brandenburger Landeskinder waren. So trat die brandenburgische Armee im Juni 1675 auch in dem Bewußtsein an, für eine gerechte Sache zu kämpfen und die Integrität des eigenen Landes wiederherzustellen.

Modern war die brandenburgische Kampfführung aber nicht nur wegen der Einbeziehung der Bevölkerung und des Appells an Heimatliebe und Nationalgefühl, sondern auch wegen der eigentlichen militärischen Kriegsführung. Das Heranführen einer kleinen Streitmacht über eine große Distanz, die Ausnutzung von Überraschungsmomenten, eine mobile Kampfführung durch ständige Angriffe selbständig operierender Einheiten auf den zurückweichenden Gegner und der bewegliche Einsatz der zahlenmäßig schwachen eigenen Artillerie sind Elemente einer überaus modernen Kriegsführung, die der damaligen Zeit weit voraus war.

Der Große Kurfürst begründete mit dem Sieg von Fehrbellin nicht nur den Aufstiegs Brandenburg-Preußens zur Führungsmacht in Deutschland. Er erfüllte zugleich das Nationalbewußtsein in Deutschland mit neuem Leben, nur gut ein Vierteljahrhundert nach dem vermeintlichen Ende Deutschlands im Westfälischen Frieden von 1648.


 
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