© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
Kolumne
Bevormundung
von Hans-Helmuth Knütter

Bücherverbote, Zensur, Spitzelei, Gesinnungskontrolle, staatliche Bevormundung, Einschränkung der Meinungs-, Versammlungs-, Gedankenfreiheit, unheilvolles Wirken des "Verfassungsschutzes", dessen Berichte der "Ausgrenzung" von Staatsbürgern dienen. Eine Bundesprüfstelle, die unter dem Vorwand des Jugendschutzes "sozialethisch verwirrende Literatur" unterdrückt. So sieht das "freiheitlichste System der deutschen Geschichte" aus. Und das Volk, der "mündige" Staatsbürger? Alles wird passiv und zum Teil sogar billigend hingenommen. Es gibt eine weitverbreitete totalitäre Mentalität. Der Staat kassiert freudig Tabaksteuern. Aber dem mündigen Raucher will er vorschreiben, ob, wie und wo er seiner Neigung nachgehen kann. Zwar haben Gerichte jüngst diese staatlichen Eingriffe ins persönliche Verhalten gebremst, aber wir erfahren mit täglich zunehmender Intensität eine Neigung zum Bevormunden.

Das Wort von der "political correctness" bezeichnet die Verursacher dieser Fehlentwicklung nur ungenau. Die Rücksichtnahme auf großmäulige und aktivistische, manchmal sogar gewaltbereite Minderheiten ist das eigentliche Übel. Vor allem Grüne und PDS, die sich zum Sprecher von Minderheiteninteressen machen, können sich durchsetzen, weil sie als Mehrheitsbeschaffer von den Etablierten gebraucht werden. Sie nisten sich im Staatsapparat und in den Medien ein, um ihre Minderheitenansichten anderen aufzuzwingen. Wie alle Totalitären haben sie dabei ein gutes Gewissen: Selber Gutmenschen, wollen sie die anderen zum Gutsein zwingen und sind empört, wenn die Unaufgeklärten in ihrer Verblendung verharren. Also bedarf es einer starken Hand, die Unwillige zu ihrem Glück zwingt.

Die Feinde der Freiheit (verstanden als Selbstbestimmung) stehen links, ihre Verteidiger aber rechts. Das ist erstaunlich, denn traditionsgemäß gelten die Rechten doch als Anhänger eines starken, autoritären Staates, die der Individualisierung und Bindungslosigkeit unserer Zeit ablehnend begegnen. Aber die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen. Konservativ sein bedeutet auch, die Freiheit der Person zu wahren. Moderne Technologien, europäische Einigung, die Herrschaft anonymer Bürokratien erfordern Mißtrauen gegen Parteienstaatlichkeit und kämpferische Wachsamkeit gegen eigennützige Funktionäre.

Diese Erkenntnis ist die Voraussetzung einer Verbesserung, die sich zur Zeit noch nicht einmal am Horizont abzeichnet, obwohl die Alternative zunehmende Unfreiheit ist.

 

Prof. Dr. Hans-Helmuth Knütter lehrt Politikwissenschaft an der Universität Bonn.


 
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