© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
Kleiner Streit um große Plane
Der AStA der Fachhochschule Frankfurt erregt sich über ein verschwundenes Transparent
Claus-M. Wolfschlag

Die Frankfurter Fachhochschule wurde unlängst Schauplatz einer Provinszposse der besonderen Art. Ausgangspunkt war die letzte Kundgebung der von dem Berliner Rechtsanwalt Horst Mahler mitinitiierten "Bürgerbewegung für unser Land" auf dem Frankfurter Börsenplatz, die sich öffentlich der Kriegsschuldfrage von 1914 und 1939 angenommen hatte und dadurch wiederum der "Antifa-AG" der Fachhochschule zur Entfaltug von politischer Tätigkeit verhalf.

Vertreter der "Antifaschisten" betätigten sich gestalterisch und malten ein großes Transparent mit der tiefsinnigen Aufschrift "Dem antisemitischen Pack auf die Pelle rücken". Am 23. März, zwei Tage vor der geplanten Kundgebung, wurde es außen an dem Gebäude 10 der Fachhochschule angebracht, um die Studierenden auf die "antifaschistischen" Bedenken und eine geplante Gegenkundgebung aufmerksam zu machen. Doch am nächsten Tag war das Kunstwerk bereits beseitigt worden. "Antifaschistische" Ratlosigkeit machte sich breit, da auch nach "mehrstündigem Bemühen, unter anderem beim Liegenschaftsamt, den Hausmeistern und verschiedenen Sekretariaten" nichts über den Verbleib des wertvollen Tuches in Erfahrung gebracht werden konnte. Erst in der darauffolgenden Woche konnte recherchiert werden, daß eine Sekretärin des Fachbereichs C an besagtem Freitagmorgen das Transparent eigenhändig entfernt und weggeschmissen habe. Auch bei dem anschließenden Versuch der "Antifa-AG", mit der vorschnellen Sekretärin ins Gespräch zu kommen, zeigte diese "in keinster Weise Verständnis" für die tiefgehene "Enttäuschung der Studierenden über den Verlust des Transparents". Im Gegenteil, die Sekretärin empörte sich statt dessen über das eigenmächtige Tun der "Antifa-AG", ohne Rücksprache oder Genehmigung, Transparente an die Hauswand zu kleben. Das Vorgehen der Sekretärin war zudem kein Einzelfall, hätten doch schon andere "StudentInnen" dem AStA davon berichtet, daß die Universitätsangestellte sich bereits in der Vergangenheit gegen das Plakatieren von Ankündigungen jeglicher Art in ihrem Arbeitsbereich ohne vorherige Zustimmung gewandt hatte.

Steve Kothe, "Antifaschismus-Referent" des zuständigen AStA, sah sich herausgefordert, nach Feststellung der Fakten Ende April umgehend einen erbosten Offenen Brief an den Dekan des Fachbereichs Pflege und Gesundheit der FH zu schicken: "Neben dem Verlust eines für uns erheblichen Materialwertes und der mit dem Bemalen verbundenen Arbeitszeit (das Transparent in der Größe von ca. 1,50 mal 10 Meter wurde von mehreren StudentInnen mehrfarbig auf blauem Stoff an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen bemalt) ist es vor allem der ideelle Verlust an Vertrauen an die demokratischen Errungenschaften der Hoch- und Fachhochschulen, sowie ein Zweifel daran, daß hochschulpolitisches Engagement auf eine tolerante und interessierte Öffentlichkeit bei Lehrbeauftragten und Angestellten der FH Frankfurt bauen kann." Studien, so Kothe in seinem Schreiben, würden eine Zunahme "rassistischen" Verhaltens und antisemitischer Ressentiments in der Gesellschaft belegen, was man zum Beispiel am kürzlich erfolgten Brandanschlag auf eine Synagoge in Erfurt erkennen kann. Diese Zunahme sei auch an Hoch- und Fachhochschulen erkennbar, ohne daß Kothe damit eindeutig "das Verhalten der Sekretärin in direkte Kontinuität zu den oben genannten Erscheinungen und Ereignissen stellen" wolle. Daß regelmäßig Plakate vor allem im ersten Stock des Gebäudes 10 beseitigt würden, ließe sich allerdings "nur im Zusammenhang eines Sauberkeits- und Ordnungswahns" erklären, der in seiner spezifischen deutschen Erscheinungsform als "Sekundärtugend, gerade historisch gesehen schon manche Schweinerei erst ermöglicht hat". Ausgiebig Theodor W. Adorno zitierend, wünschte Kothe dem zuständigen Dekan noch "einen kämpferischen 1. Mai" und verabschiedete sich "mit kosmopolitischen Grüßen".

Dekan Dieter Kraushaar allerdings zeigte wenig Interesse daran, sich ausgiebig mit dem Plakat-Problem der "Antifa-AG" zu beschäftigen und sich für das Verhalten seiner Sekretärin zu entschuldigen, so daß die Auseinandersetzung in eine neue Runde gehen mußte. Kürzlich wurde also ein Offener Brief an den Präsidenten der Fachhochschule Rolf Kessler verfaßt, in dem dieser zu einer Stellungnahme zu dem skandalösen Verschwinden des Transparents aufgefordert wurde. Der Brief schloß wiederum mit einem Zitat aus der "Frankfurter Schule", deren Vertreter sich heute nicht mehr gegen ihre Instrumentalisierung durch (wie Adorno zu sagen pflegte) "linksfaschistische" Aktivisten wehren können: " ‚Wenn man im Land des Henkers vom Strick redet, dann hat man Ressentiment.‘ (Erziehung zur Mündigkeit, Theodor W. Adorno) Oder man wird doch zumindestens ignoriert und gemieden."

Oder, so könnte man ergänzen, wenn man schon im "Land der Henker" nicht für das unerlaubte Anbringen von Transparenten hingerichtet wird, hat man nunmal keine anderen Sorgen, als sich über ein paar Meter verschwundene Stoffplane zu erregen. Eine befriedigende Antwort des FH-Präsidenten jedenfalls steht noch aus.


 
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