© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/00 23. Juni 2000

 
Die Euro-Verschwörung
Baal Müller

Früher war es üblich, von "Europa-" und "Weltmeisterschaften" zu sprechen oder sich dabei der Abkürzungen "EM" oder "WM" zu bedienen. Heute hört man zwar immer noch viel von der "EM2; zusätzlich hat sich jedoch die Rede von der "Euro 2000" eingebürgert. Ein bißchen klingt das wie eine Mischung aus dem Euro und der Expo 2000, was nicht verwunderlich ist, schließlich geht es beim Fußball auch um Geld und Selbstdarstellung. Trotzdem ist nicht anzunehmen, daß die Euro 2000 nur ein solches simples Mittelding ist. In Wahrheit verbirgt sich etwas ganz anderes hinter ihr.

Klar und deutlich steht es vor meinem geistigen Auge: Einflußreiche, zwielichtige Gestalten, Hintermänner, Dunkelmänner, Logenbrüder, vor allem aber Währungshüter und Fußballfunktionäre haben insgeheim konspiriert, um die Europameisterschaft nach unserem Geld zu benennen. Die Strategie ist klar: Der Euro schwächelt, wird von der Bevölkerung nicht recht akzeptiert; also benennt man positive Dinge, spaßige Ereignisse nach ihm; etwas davon wird schon auf ihn abfärben und, wenn nicht seinen Wechselkurs, so doch wenigstens sein Image verbessern.

Der Schuß könnte allerdings nach hinten losgehen, wenn man sich die Leistungen der deutschen Mannschaft anschaut. Vielleicht sind diese aber auch ganz bewußt so geplant gewesen, etwa als deeskalierende Begleitmaßnahme zur Besänftigung der Hooligans? Passen würde es zu unserem Mannschaftswagen mit seiner kindlichen Bemalung und der Aufschrift "Football without frontiers". Die Devise hieße also: Lahm spielen, damit sich die Gemüter nicht so erhitzen. Genutzt hat das allerdings nicht viel; vor allem die englischen Fans haben die große nationale Schlacht, die ihnen von der Boulevardpresse versprochen wurde, noch einmal richtig ausgetragen. Die britische Polizei und Verwaltung hat ihre Einreise nach Belgien dabei so tatkräftig unterstützt, daß auch hier wieder der Verdacht aufkeimt, die Sache sei geplant gewesen. Vielleicht sollen diesmal die Engländer die Bösewichter spielen; die Deutschen können das ja nicht immer machen, und die Österreicher sind sowieso nicht dabei.

Die Strategie ist also auch hier klar: Die britischen Euro-Skeptiker sind bei der Euro 2000 die Unsympathen und werden kräftig abgestraft, die Deutschen durften mit von der Partie sein, und gewinnen wird entweder Portugal oder Frankreich, also der scheidende oder der künftige EU-Ratspräsident. Die ganze Sache ist so ausgekungelt, daß sie schon fast einen Modellfall für künftige EU-geprüfte Wahlen in der Eurozone abgeben könnte. Man braucht nur hinzuhören, um zu bemerken, daß die Rhetorik von Politikern und Fußballtrainern nach Wahlen bzw. Spielen dieselbe ist ("Dies ist nicht das Ergebnis, das wir uns gewünscht haben, daran gibt es nichts zu beschönigen.")

Bleibt nur zu hoffen, daß die ganze Sache nicht auffliegt und die Imagewerbung in die Hose geht. Dann wird man sich etwas Neues ausdenken müssen. Mal sehen, was in Zukunft alles "Euro" heißt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen