© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/00 16. Juni 2000

 
Micki & Schicki und die Revolution
Armin Mohler feierte in München nachträglich seinen 80. Geburtstag
Frank Philip

Die Terrasse des Cafés am Lenbachplatz, gegenüber liegt die Börse, füllt sich mit schönen Menschen. Micki hat Schicki an diesem schwülen Sommerabend zum Eis eingeladen. Der Kopf gut geölt, das frischgebügelte Hemd spannt über der Brust. Hoffentlich verdeckt kein Sonnenschirm dies Götterbild! Jeder ist so einzigartig – und doch trifft leider immer noch zu, was Armin Mohler 1955 über die Bundesdeutschen schrieb: "Genau gesprochen sind es allerdings Standard-Gesichter." Was sprang dem Schweizer nach längerer Abwesenheit ins Auge: die "forschbäckige Aufgedunsenheit", jener "mer ham’s wieder geschafft!"-Ballon. Auch heute dürfen die "langen Reduktions-Haare" nicht frei flattern. Als modische Zutat baumelt an manchem Männerohr ein kleiner Ring, seltener in der Braue oder der Lippe, ganz selten in der Nase. Dort hat ihn Armin Mohler ja schon lange vermutet, jetzt zeigt er sich vereinzelt auch materiell: Ein schöner, stabiler Ring, der die Deutschen vor sich selbst bewahrt.

An der Seite des Cafés liegt der Eingang zum "Künstlerhaus". Der Bau von der Jahrhundertwende mit vielen Türmen und Giebelchen stammt vom Architekten Gabriel von Seidl. Im Durchgang zu einem kühlen Innenhof klebt ein Schild: "Empfang Dr. Mohler". Über eine Treppe gelangt man in eine Säulenhalle mit historistischem Stuck, eine heitere Umgebung, in der Armin Mohler seinen 80. Geburtstag nachfeiert.

Auf Einladung der im Januar dieses Jahres gegründeten "Edition Antaios", benannt nach dem erdverbundenen Riesen aus der griechischen Mythologie, sind etwa siebzig Freunde, Bekannte und Schüler gekommen, dem Chronisten der "Konservativen Revolution" zu gratulieren. Mohler, groß und schwer, geht auf einen Stock gestützt durch die Reihen der Gäste. "Für welche Zeitung schreiben Sie?", fragt er mich in Schweizer Tonfall. Er freut sich, als er die Antwort hört, sagt lachend: "Dann wird es gut!" Hoffentlich.

In der JUNGEN FREIHEIT erschien 1994 in neun Folgen seine Kolumne "Notizen aus dem Interregnum", beinahe die letzten Artikel nach einem halben Jahrhundert publizistischer Arbeit. In "Lauter Dritte Wege", einer Festschrift anläßlich seines 80. Geburtstages, findet sich von Karlheinz Weißmann die erste ausführliche Bibliographie mit vielen hundert Eintragungen. Zu Mohlers wichtigsten Veröffentlichungen gehört seine Promotion "Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932". Nur "beschränkten Unfug", so hoffte der Doktorvater Karl Jaspers 1950, könne das Buch anrichten. "Wir Philosophen sind nun einmal so", soll der Carl- Schmitt-Allergiker geseufzt haben, "wir züchten unsere Schlangen an der eigenen Brust."

Als brillanter Theoretiker eines modernen Konservatismus hat Mohler sich eine feste Anhängerschaft erworben. Im Rahmen der Feier bekommen nun die Subskribenten des Bandes "Lauter Dritte Wege" ihr signiertes Exemplar überreicht. Die Edition Antaios, so wird allgemein gelobt, hat eine glückliche Hand bewiesen. Keine Schlamperei wie bei anderen Kleinverlagen, sondern ansprechend gestaltet und solide gebunden. Neben einer Kurzbiographie von Ellen Kositza und Götz Kubitschek enthält die Festschrift den Aufsatz "Den Gläubigen der Mythos", flott und sehr persönlich geschrieben. Kubitschek schildert die Wirkung von Mohlers Schriften als Einstiegsdroge für junge Intellektuelle: "Hernach ist alles anders." Dieses Geständnis und Eindrücke von Ernst Jüngers Begräbnis umrahmen die Beschreibung einer Begegnung mit Armin Mohler.

Der Jubilar will ein paar Worte zu dem Einbandbild des Bändchens "Lauter Dritte Wege" sagen. Es ist von Hugo Weber aus dem Jahr 1940. Mohler findet den Namen nicht, sucht, umschreibt das Gesuchte. Nun schweift er ab; der Kunsthistoriker spricht plötzlich von amerikanischer Malerei. Wieder ein Malername, "Pollock!" helfen Freunde aus. Expressionismus, Abstraktion, dorthin wandern seine Gedanken. Anläßlich des ersten Treffens in München, erinnert sich Weißmann, habe Mohler ihm in zwei Stunden drei Museen gezeigt. Sie seien "in gestrecktem Tempo" durch die Säle gelaufen, hätten vor "ganz kleinen Bildern" kurz halt gemacht, Mohler habe schnelle Erklärungen gegeben, auf Besonderheiten hingewiesen. Noch zwanzig Jahre später erzählt Weißmann leicht gequält von diesem Erlebnis.

Er habe sich oft gefragt, welchem Typus von Rechten Armin Mohler am ehesten entspreche. Die Anwesenden schauen irritiert, dann amüsiert, als Weißmann rechte Prototypen aufzählt: der Stocksteife, dessen Verhärtung und Verbitterung aus einer allgemeinen Lebensangst zu erklären sei. Oder der eher Joviale, dem aber einfach die Haare der jungen Leute ein bißchen zu lang seien. Oder der Feinsinnige, der daran leide, daß keiner mehr Dante im Original lese. Oder der Stiernackige, der am liebsten den Ernstfall, "auf den wir ja alle so sehnlichst warten", selbst herbeiführen möchte. Mohler ist begeistert, denn natürlich paßt keines dieser Klischees auf ihn. "So stramm und spannend ist die Rechte gar nicht", befand Mohler einmal in einem Interview. "Heute kann man höchstens versuchen, geistig stramm zu stehen."

Was hat Weißmann an Mohler am meisten überrascht? Die schwarze Filzstift-Markierung "Es gibt keine Geschichtsphilosophie." in dem Buch über die fünfte französische Republik. Das sei am schwersten zu schlucken gewesen für ihn, schließlich habe Mohler doch Spengler so große Verehrung entgegengebracht. Aber der Pessimismus, der aus den geschichtsphilosophischen Überzeugungen erwachse, sei oft Handlungsersatz, ein "Abgrund des spekulativen Denkens" und Ausrede für eigene Untätigkeit. Mohler sei stets, obwohl er die Dekadenz und den Niedergang sah, ein Optimist gewesen, nicht im plumpen Sinne des "positiv Denken", sondern aus einem tieferen Fühlen, meint Weißmann.

Auf der Terrasse des "Künstlerhauses" ist es inzwischen Nacht geworden. Micki und Schicki zünden gerade das Windlicht auf ihrem Tischchen an. Von dem alten Mohler und seiner kleinen Feier nehmen sie natürlich keine Notiz. Sie sind mit sich selbst und ihrem Eis beschäftigt und können nicht wissen, was das ist, "Konservative Revolution". Irgendwo allerdings, am anderen Ende der Stadt, läuft in diesen Stunden ein Kopiergerät heiß. Sympathische junge Leute von der Antifa München drucken gelbe und rote Flugblätter. Darin kommt auch der Name "Armin Mohler" vor, wer hätte das gedacht! Als ich einen der Zettel tags darauf aus dem Mülleimer der Residenz fische, wo er anläßlich der Verleihung des Konrad-Adenauer-Preises an Ernst Nolte über Umwege gelandet ist, freue ich mich: Armin Mohler, der erste Träger dieses Preises, ist also nicht vergessen. Altkanzler Adenauer sprach 1967 ein Grußwort. Es war Adenauers letzte öffentliche Rede, sein "Vermächtnis", sagen viele, und damals gab es viel Geschrei.

Den Rücken der Festschrift "Lauter Dritte Wege" ziert ein ehrfürchtiger Gruß des Dramatikers und Schriftstellers Botho Strauß an Mohler, "der den (stets wenigen) Autoren der intellektuellen ‘Gegenreformation’ als Vorbild diente und erst recht in Zukunft dienen möge".

 

Festschrift Lauter Dritte Wege. Armin Mohler zum Achtzigsten. Hrsg. und bearbeitet von Karlheinz Weißmann, Ellen Kositza, Götz Kubitschek. Edition Antaios, Bad Vilbel 2000, 96 Seiten, geb., 32 Mark.

Die Edition Antaios (Alte Frankfurter Str. 54, 61118 Bad Vilbel) startet im Herbst mit einer neuen Buchreihe unter dem Titel "Perspektiven". In Vorbereitung sind die ersten beiden Bände von Armin Mohler über "Georges Sorel. Erzvater der Konservativen Revolution" und von Karlheinz Weißmann über "Arnold Gehlen. Vordenker eines neuen Realismus".


 
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