© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/00 16. Juni 2000

 
Claude-Oliver Rudolph
Verpuffte Provokation
von Thorsten Thaler

Den Mephisto wollte er nicht spielen, schon gar nicht auf einer Theaterbühne in der brandenburgischen Provinz. Aber er würde gern ein eigenes Stück inszenieren, in das er sich gerade vertieft habe, ließ Claude-Oliver Rudolph den Intendanten des Theaters Brandenburg wissen. Daß der 42jährige Schauspieler und Regisseur Rudolph mit zwei früheren Theaterinszenierungen in Bochum über den Frauenmörder Fritz Honka und in Frankfurt über den Kannibalen Jeffrey Dahmer Pleiten erlebte, störte offenbar niemanden. Zu verlockend erschien die in Aussicht stehende Provokation, getreu der von Rudolph ausgegebenenen Maxime: "Am Theater interessiert mich nur der Skandal."

Dafür sollte das Stück "Mein Freund Hitler" des nationalistischen japanischen Autors Yukio Mishima wie geschaffen sein. Es handelt von der "Nacht der langen Messer" vom 30. Juni 1934, in der Hitler den SA-Chef Ernst Röhm und einige seiner innerparteilichen Gegner wie Gregor Strasser wegen angeblicher Putschpläne ermorden ließ. Doch Mishima nutzt den historischen Stoff vor allem als Folie für ein pathetisches Gleichnis über Freundschaft, Vertrauen und Verrat. Der hierzulande als "Horst Wessel der japanischen Rechten" (Spiegel) verunglimpfte Schriftsteller drang im November 1970 mit Angehörigen seiner Privatarmee in ein Generalshauptquartier mitten in Tokio ein, überwältigte den Befehlshaber und rief vom Balkon des Gebäudes die Selbstverteidungskräfte dazu auf, Japans Traditionen, Geschichte und Kultur zu wahren sowie den Kaiser zu schützen. Nachdem die jungen Soldaten ihn auslachten und beschimpften, beging er vor den Augen des Generals Seppuku – den rituellen Selbstmord der japanischen Samurai.

Der Stoff könne zu einer "Tragödie von griechischem Format" werden, mit der er Theatergeschichte schreiben werde, tönte Claude-Oliver Rudolph. Der zumeist großschnäuzig auftretende Mime hoffte, mit seiner Inszenierung gleichermaßen links wie rechts zu provozieren. Allein, die Absicht war zu offensichtlich. Statt Empörung und Aufruhr erntete er nach der Premiere vergangene Woche nur müde Kritiken; der kalkulierte Skandal blieb aus. Mehr noch: Für den nach eigenem Bekunden ruhmsüchtigen Rudolph, der vor seiner Ausbildung am Schauspielseminar Lee Strasberg Psychologie und Philosophie studierte, wurde die Inszenierung zu einem künstlerischen Desaster.

Während die Aufführung zu Recht schnell in Vergessenheit gerät, wird man Claude-Oliver Rudolph künftig wieder vor allem als Schauspieler wahrnehmen. Seit seinem Durchbruch 1981 mit dem Wolfgang-Petersen-Film "Das Boot" ist der sein Image als Hau-drauf-Typ pflegende Kampfsportler (Judo, Karate) auf Rollen als Filmbösewicht vom Dienst abonniert. Zuletzt spielte er in dem James-Bond-Streifen "Die Welt ist nicht genug". Auf die Frage, welche Eigenschaften er bei einem Regisseur schätzt, antwortete Rudolph: "Wahnsinn".


 
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