© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/00 09. Juni 2000

 
Wave/Gotik: CDU, "FAZ" und Antifa in gemeinsamer Front gegen "schwarze" Szene
Zur offenen Hatz geblasen
Alexander Treunicht

Wer kulturelle Alternativen zum herrschenden Gaga-Autismus unserer Medienwelt sucht, muß tief graben. Es gibt wirklich wenig Originelles. In dieser grellbunten Wüste wenden einige Jugendliche sich zunehmend ab vom Vorgekauten und Vorverdauten. Sie suchen Authentizität – oder auch nur das echte Abenteuer.

Solches verspricht seit einigen Jahren die schwarze Welt der Wave- und Gotik-Szene. Romantik, Mystizismus, Ablehnung der reinen Vernunft und unkonventionelle Bezüge zu Heimat und Vergangenheit bieten ein subkulturelles Beiprogramm, das manchmal zur echten Alternative werden kann.

Doch Alternativen sind nicht gefragt bei den derzeitigen Funktionseliten der Republik. Seit Jahren treiben einige Gesinnungswächter aus dem Antifa- und linken Verfolgermilieu ihre Hatz auf ungeliebete Erscheinungen der Szene. So weit, so gewohnt. Doch die Situation hat sich zugespitzt. Die Antifa –nunmehr gleichsam als stille "Einsatztruppe" der derzeitigen Machthaber agierend – ist zum Stichwortgeber einer Kampagne geworden, die von weiten Kreisen der angepaßten "bürgerlichen" Institutionen und Medien mitgetragen wird.

Kürzlich schlug die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)Alarm. In der Veröffentlichung "Nachtsaiten der Musik. Grauzonen und Braunzonen in der schwarzen Musikszene" wird im pedantisch-unversöhnlichen Duktus eines staatspolizeilichen Spezial-Referenten zur "Wachsamkeit" gerufen. Da werden unter dem Mäntelchen freier Kunstausübung Ansichten verkündet, die jeglicher Toleranz und Menschenwürde hohnsprechen. Oft liebäugeln Vertreter solcher Ansichten mit dem rechten Spektrum, heißt es pikiert. Da wird die KASlerin schnell zum "Ausleuchter" der Szene und attestiert in bewährter Antifa-Manier, daß es auch gute Menschen in der Szene gäbe, die "Verteidigungsmechanismen" geschaffen hätten. Fragt sich nur, wer hier wen angreift.

Die gewalttätige Antifa, die Konzerte verhindert, Labels bedroht und Künstler attackiert und das Establishment, das zusieht, mitmacht, ausgrenzt, betreiben die Verletzung von Bürger-und Freiheitsrechten. Ein Beispiel: Die KAS sieht in Alfred Schobert, dem Mitarbeiter des "Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung" (DISS), eine wertvolle Informationsquelle. Nun ist das DISS eine Art staatlich geförderter Geheimdienst der Linken und Schobert ein in der Musikpresse gemiedener Radikaler. Er wird ausführlich zitiert. Der Höhepunkt dieser seltsamen Allianz ist erreicht, wenn Tandecki nun gerade die "Grufties gegen Rechts" lobend als "Abwehrkraft" anführt. Diese Herren sind eine Gruppe radikaler Antifa ohne Bezug zur Wave-Szene, aber mit starken Ausläufern zu den modernden Resten der Punk-Subkultur.

Die KAS übernimmt nicht nur Informationen, sondern auch die Argumentationsweise der Linksradikalen. Eine Band-Internetseite sei "von einem großen Thorshammer geziert", heißt es erschrocken. Belehrend wird ergänzt: "Soweit durchaus in Ordnung, aber das Gerät gehört leider auch zu den Lieblingssymbolen rechter Organisationen." Aha, alles klar!?

Solche bürgerliche Indifferenz ist an sich kein Grund zur Aufregung, betrachtet man die begrenzte Relevanz der KAS-Papiere. Doch hat nun auch die sich das Attribut "konservativ" zuschreibende FAZ auf die autoritäre Karte gesetzt. In einem Beitrag mit dem schönen Titel "Fruchtbarer Boden. In der ‚schwarzen‘ Musikszene gibt es rechtsextremistische Tendenzen, aber auch Abwehrmechanismen" wird die KAS-Studie ohne jede weitere störende Zusatzrecherche brav zusammengefaßt. Auch die lobende Erwähnung der Grufties gegen Rechts. Antifa – KAS –FAZ: Allianzen unserer Zeit.

Ist die Aufregung ganz ohne Anlaß? Nein, nicht ganz: Denn sicher gibt es an den Rändern der Schwarzkultur – namentlich im Death-Metal-Bereich – Exzesse an Gewaltverherrlichung und Menschenverachtung. Ein Varg Vikernes von der Gruppe Burzum hat schon seine Opfer auf dem Gewissen – und phantasiert nun im Knast vom "Vierten Reich". Doch sind diese Randerscheinungen kaum Bestandteil der schwarzen Szene. Sie entspringen vielmehr genau jener Ideologie des radikalen und schrankenlosen Individualismus, die heute gepredigt wird.

An dieser Stelle wird klar, daß es weder der Antifa noch ihren bürgerlichen Helfern um Menschenwürde oder Vergleichbares geht. Denn: Diese wird seit Jahrzehnten von Vertretern der Massenkultur verhöhnt. Black-Metal gibt es seit Jahrzehneten ohne politischen Hintergrund (Black Sabbath?, Judas Priest? – schon mal die Texte übersetzt?). Kirche, Glaube und Werte wurden und werden explizit verhöhnt und verächtlich gemacht. Es folgten in den Neunzigern radikale Rap-Musiker, die offen ihre "Gangsta-Kultur" pflegten. Gewalt, Drogen, Bedrohung von Menschen inklusive. Gestört hat das keinen, schon gar nicht die Adenauer-Stiftung.

Die schwarze Szene soll nun aber wegen der in ihr enthaltenen konservativen Elemente ins Aus gedrängt werden – gerade, indem man authentische Initiativen mit Verrückten vermengt.

Wie weit dieses System gediehen ist, zeigt der Fall des Wave-Musikers Josef Klumb. Klumb war Frontmann der Gruppen Forthcoming Fire und Weissglut. An sich ein unverdächtiger Typ, jahrelang in der Punk-Szene verankert. Doch ein radikaler Individualist, immer schon. Diese Suche nach dem eigenen Weg führte dann zu einem Interview in der JUNGEN FREIHEIT. Klumb sprach vom "Wiedererwachen der deutschen Nation" aus dem "Geiste Stauffenbergs". Damit begann ein Kesseltreiben gegen den Sänger, das körperliche Gewalt, Behinderung von Konzerten und Zerstörung von Freundschaften mit einschloß.

Im Frühjahr 1999 stand Klumb vor seiner großen Chance: Mit der Band Weissglut bekam er einen exklusiven Plattenvertrag mit Sony Music. Der Antifa-Sturm brach los. Nach immerhin bemerkenswertem Ausdauern seitens der Plattenfirma mußte Klumb schließlich gehen. Weissglut hat nun einen neuen Sänger. Dieses vorläufige Ende seiner musikalischen Karriere bedeutete für Klumb auch das Ende der materiellen Perspektiven. Der Mann hatte jahrzehntelang nur für die Musik und seine Ideale gelebt. Um sich die Sozialhilfe zu sichern, geht der Ungelernte nun auf den Friedhof zum Wegekehren. Inwieweit es hier einen "Unschuldigen" getroffen, hat mag man selbst beurteilen. Klumb hat mit "Leicht entflammbares Material" ein Buch (VAWS, Postfach 10 13 50, 47013 Duisburg) über seine Zeit bei Forthcoming Fire vorgelegt. Es ist eine Lebensbeschreibung ohne Schutzschild, ohne Visier. Es ist Bewegung gekommen in die deutsche Subkultur. An sich eine bizarre Konstellation: Antifa und bürgerliche Presse gegen Waver, die man als "Asoziale" 1970 noch nicht einmal in die SPD gelassen hätte. Heute stehen diese Werten wie Heimat, Spiritualität und Intensität der Erfahrung durchaus positiv gegenüber. Wer will, kann sich auf dem "Wave-Gotik-Treffen" über Pfingsten in Leipzig selbst ein Bild von der Szene machen.

Und wer mehr will als nur konsumieren, kann helfen. Josef Klumb plant ein neues musikalisches Projekt. Nun, ohne Mittel und Unterstützung fehlen ihm die Ressourcen. Spenden sind hier ein Einsatz für die geistige und kulturelle Freiheit. Die JF ruft daher zur finanziellen Unterstützung von Josef Klumb für seine neuen musikalischen Projekte auf. Bitte überweisen Sie auf das Konto: Josef Klumb, "Künstlerhilfe", Postbank Ludwigshafen, Konto-Nummer 1999 00-676, BLZ 545 100 67.


 
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