© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/00 09. Juni 2000

 
UMWELT
Die Flucht mit dem Auto wird teurer
Volker Kempf

Mit steigendem Tempo wird alles entwertet. Wer an einer Landschaft mit Tempo 200 vorbeirast, entwürdigt diese wie jemand, der blasiert über eine Frau hinwegsieht, die sich eigens schön gemacht hat.

Daß dabei auch noch Lärm und Gestank ausgestoßen werden, macht die Sache noch unwürdiger. Ist es Weltflucht, die das Auto zum liebsten Kind der Deutschen macht? Man fährt vor sich selbst davon und kommt nebenbei auch irgendwo an.

Wer auf der Flucht ist, hat Angst. Und wenn das Benzin für das "Fluchtfahrzeug" teurer wird, so kann die Geschwindigkeit nicht weiter gesteigert werden. Ebenso könnte man einem Volk den Fluchtweg abschneiden. Hysterie ist die Folge. Zeitungen waren denn auch bei der Ankündigung der Öko-Steuer auf Benzin bisweilen ausschließlich mit erbosten Leserbriefen gefüllt.

Eine ernüchternde kalte Dusche ist in solchen Fällen angebracht. Die kann der automobile Deutsche in Großbritannien bekommen, wo der Liter Normalbenzin 2,65 Mark kostet. Nüchtern betrachtet kann, wer will, bei einem solchen Benzinpreis noch immer recht günstig mit dem Auto umherfahren, wenn er nur auf mehrere hundert PS unter der Motorhaube verzichtet. Dann fährt das Auto eben keine 320 Kilometer in der Stunde Spitzengeschwindigkeit mehr, sondern nur noch die Hälfte, oder gar nur "Richtgeschwindigkeit 130".

Davon kann die Welt doch nicht untergehen. Für die deutschen Apokalyptiker aber doch, käme dies schließlich einem Tempolimit gleich. Und eine Flucht mit Tempolimit ist unmöglich. So ergießt sich über Deutschlands Kulturlandschaften eine Entwertungsmaschinerie wie ein Strom, der rastlos an sein Ende will.


 
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