© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/00 09. Juni 2000

 
Die Provinz läßt grüßen
Dieter Stein

Die Expo 2000 ist eröffnet. Das millionenschwere Spektakel, um das sich der damalige Ministerpräsident und heutige Bundeskanzler Schröder gerissen hatte, wird zum Grab für den einen oder anderen Steuergroschen, das steht jetzt schon fest. Die Expo 2000 ist aber auch Sinnbild jener neudeutschen Spaßgesellschaft, die sich dort vor den Augen internationaler Beobachter ein Stelldichein gab. Zwischen billigen, schnell abreißbaren Industrie-Zweckbauten, die an die popeligen Fassaden des peinlich-billigen Potsdamer Platzes in Berlin gemahnen, feiert sich protzig-pompös eine Ex- und Hopp-Gesellschaft des Drive in und Source out. Die Expo 2000: Das ist die Ausdehnung der Idee der Grünen Wiese ohne Ladenschluß über die ganze Welt.

Die Eröffnungsrede des Bundeskanzlers war dementsprechend. Bräsig-breitbeinig präsentiert sich der Regierungschef eines politisch-kulturell irritierten Landes, das nicht weiß, ob es noch Nation oder schon Prototyp der flexibilisierten postnationalen Weltgesellschaft sein soll. Eine Weltausstellung könnte die Gelegenheit bieten, sich als selbstbewußte Nation zu präsentieren. Doch nein, das verkümmerte Ego wird noch mit stolzgeschwellter Brust zur Schau getragen. Schröder tönt: "Wir müssen alle internationaler werden. Damit meine ich: Wir müssen es zu einer Selbstverständlichkeit werden lassen, in globalen Kategorien zu denken, zu planen und zu handeln. Ich sage das ganz bewußt auch an die Adresse meiner eigenen, der deutschen Gesellschaft. Wir müssen die Ängste voreinander abbauen." Das Land des kosmopolitischen Denkens von Humboldt und Goethe braucht "Weltoffenheit"? "55 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges" (dem offenbar unvermeidlichen Bezugspunkt) "kann unser Land Weltoffenheit und Gastfreundschaft unter Beweis stellen". Hat das Deutschland wirklich nötig? "Wer sich der internationalen Zuammenarbeit verweigert, wer sich abschottet gegen Fremde und Fremdes" ... liegt Hannover in Nordkorea? Bei allem Gerede Schröders von "Globalisierung", "Virtualisierung", "Kommunikation", seiner Präsentation der Expo als Musterbeispiel für "public-private-partnership" (wird nicht übersetzt!) glaubt man, der spröde Daimler-Chrysler-Manager Jürgen Schrempp sei Redenschreiber des globalsten Kanzlers aller Zeiten. Auch Schrempp übt sich in Weltniveau, wenn er wie ein Mittzwanziger, der soeben seinen BWL-Abschluß gebaut hat, mit abgedroschenem Marketing-Englisch um sich wirft.

Passend zu dieser verunsicherten Darstellung unserer Nation als kulturellem Entwicklungsland war die müde Hymne der Altrocker-Kapelle Scorpions. Butterfahrt-tauglich, schmusig-kuschelig trällerten die Jungs in gebügelten Lederjacken wie Konfirmanden ihr Liedchen "Moments of Glory". Linkisch hüpfte ein Dutzend Kids über die Bühne und spielte weltoffenes Einerlei. Für das Land der Sprache und Musik, der Dichter und Komponisten eine dürftige Vorstellung. Eine kernige Ballade von Herbert Grönemeyer auf Deutsch wäre allemal besser gewesen.


 
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