© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/00 02. Juni 2000

 
Die Angst der Schwarzen vor dem Richter
CDU-Streit um Richter Schill: Nach Umfragen kann er mit 18 Prozent Unterstützung rechnen
Claudia Hansen

Die Schill-Partei, obwohl noch nicht einmal gegründet, sorgt für wachsende Nervosität in der Hamburger Politik. Fast täglich bringt die lokale Presse Nachrichten über den 41jährigen Amtsrichter und seine Aktivitäten. Am 13. Juni wird Ronald Schill bei einem CDU-Ortsverband zum Thema "Hamburgs Strafjustiz am Ende – Gefahr für die Menschen in der Stadt" sprechen. Sven Gaudian, der konservative Vorsitzende der CDU im proletarischen Lurup/ Osdorfer Born, hat sich weit vorgewagt mit der Veranstaltung im Clubheim des Sportvereins Lurup. Eine Bombendrohung von Linksextremen gegen das Lokal gab es bereits. Auch der CDU-Vorstand wünscht den aufmüpfigen Ortsverband zum Teufel. Schill will eine mit der CDU konkurrierende Partei gründen. Da sollte man ihm wirklich kein Forum bieten", schimpfte Fraktionschef Ole von Beust.

Nachdem bekannt wurde, daß weitere Parteiverbände Veranstaltungen mit dem umstrittenen Richter planen, fürchtet die Parteiführung eine massive Abwanderung an der Basis. Ein Bezirkstagsabgeordneter hat in einem Leserbrief faktisch seinen Übertritt erklärt, ganze Ortsgruppen könnten mitgehen. Funktionäre der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft haben Druck auf Gaudian ausgeübt, die Veranstaltung abzusagen. Noch vor wenigen Monaten hatte allerdings die Junge Union Hamburg nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT Schill als Hauptredner ihres Landesparteitages schriftlich angefragt. Doch wie gut, daß die JU-Verantwortliche Stephanie Gamm sich heute nicht mehr daran erinnern kann. Gerüchten zufolge wurden im CDU-Landesvorstand sogar Ausschlußverfahren erwogen gegen Mitglieder, die sich öffentlich für den Richter einsetzen.

In diesem Fall muß die Hamburger Union etwa ein Drittel ihrer Anhänger fortschicken! Einer Abendblatt-Umfrage zufolge liebäugeln 30 Prozent der CDU-Wähler mit Schill, bei der SPD sind es 12 Prozent, bei den sonstigen Parteien 19 Prozent. Selbst von den Liberalen äußern 15 Prozent der Anhänger Sympathien für das "Law-and-order"-Programm des Richters. Die Meinungsforscherin Ursula Feist vom Psephos-Institut zeigte sich erstaunt über Schills Popularität. Immerhin schon 57 Prozent der Hamburger haben davon gehört, daß er eine Partei gründen will. Das Potential einer Schill-Partei bei den Bürgerschaftswahlen schätzt Feist auf sagenhafte 18 Prozent. Die Geschwindigkeit, mit der Schill einen Bekanntheitsgrad erreicht hat, "von dem viele politische Amtsinhaber nur träumen können", so die Meinungsforscherin, sei ein Indiz "für noch gewaltigere Zahlen".

Offensichtlich hat Schill mit seiner Kritik an der milden Hamburger Justiz den Nerv der Wähler getroffen. An erster Stelle der Liste der drängendsten Probleme steht für 33 Prozent der Befragten die Innere Sicherheit. Nach Ansicht der Bürger bezieht auch die CDU hier keine überzeugende Gegenposition zum Schmusekurs des rot-grünen Senats. Richter Schills Forderung nach einem härteren Durchgreifen der Polizei gegen die Drogenszene und einer Videoüberwachung besonders gefährdeter Plätze fällt auf fruchtbaren Boden. Fast 4.000 zustimmende Briefe aus dem gesamten Bundesgebiet hat die Initiative "Ich will Schill!" erhalten. In wenigen Monaten wird dieser Arbeitskreis die Partei gründen. Dann wird die Luft dünn für das politische Establishment der Hansestadt.

 

Kontakt: Initiave "Ich will Schill", Postfach 11 23 73, 20423 Hamburg


 
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