© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/00 02. Juni 2000

 
Geboren in Gdansk
Wie Standesämter politisch korrekt Geschichte fälschen
Felix Kilian

Seit einiger Zeit gehen immer mehr Standesämter in verschiedenen Bundesländern dazu über, in Urkunden oder Ersatzdokumenten für deutsche Vertreibungsopfer die in den deutschen Ostprovinzen liegenden Geburtsorte mit dem Zusatz Polen, Rußland oder Litauen zu versehen. In Baden-Württemberg hatten daraufhin die Republikaner im dortigen Landtag die CDU/FDP-Regierung parlamentarisch aufgefordert, zu diesen Vorwürfen Stellung zu beziehen.

In der Antwort betonte Innenminister Thomas Schäuble (CDU), daß es für die Standesämter in Baden-Württemberg keine Anweisungen zur Bezeichnung von Orten in Personenstandsbüchern und -urkunden gebe. Dem Innenministerium in Stuttgart selbst sei bisher nur ein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein Standesbeamter in einem Sterbeeintrag einem im ehemaligen Reichsgebiet außerhalb des heutigen Bundesgebiets gelegenen Ort den Staatsnamen "Polen" beigefügt hat.

Allerdings hat inzwischen das zuständige Amtsgericht Karlsruhe mit seinem Beschluß vom 23. Februar (Az.: UR III 2/2000) den Antrag eines Angehörigen des Verstorbenen zurückgewiesen, den Standesbeamten anzuweisen, die Staatsbezeichnung zu streichen. Denn wie das Gericht darlegt, kommt es für die Bezeichnung des Staates auf den Zeitpunkt des aktuellen Tätigwerdens des Standesbeamten an, so daß der genannte Sterbeeintrag daher "nicht unrichtig sei".

Diese geradezu rabulistische Begründung könnte somit weitreichende Folgen haben. Denn diese Argumentation findet inzwischen Unterstützung. So empfiehlt der Fachausschuß des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten für den Fall, daß die Beifügung des Staatsnamens auf Urkunden erforderlich sei, auf den Staat abzustellen, auf dessen Gebiet der Ort zum Zeitpunkt der Eintragung des aktuellen Personenstandsfalls in ein deutsches Personenstandsbuch liege.

Sollte sich diese Einschätzung durchsetzen, wird künftig nicht mehr erkennbar sein, daß in den deutschen Ostgebieten Geborene auf deutschem Staatsgebiet das Licht der Welt erblickten.

Die Republikaner forderten die Landesregierung in Stuttgart daraufhin in einem weiteren Antrag auf, eine Verwaltungsvorschrift auszuarbeiten, die in Ergänzung zur bundesweiten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz Beifügungen von Staatsnamen wie "Polen" oder "Litauen" in Urkunden oder Ersatzurkunden untersagt. Dies lehnte das Innenministerium mit der knappen Begründung ab, eine derartige Verwaltungsvorschrift liefe den Bemühungen der Landesregierung um eine allgemeine Deregulierung zuwider.

Gegenstand des Antrags war auch die Frage, ob es sich bei einer durch einen Standesbeamten willkürlich beigefügten Staatsbezeichnung hinter dem Namen des Geburtsorts nicht sogar um eine Urkundenfälschung handele. Auch in diesem Fall läßt die Beantwortung tief blicken. Eine staatliche Urkundenfälschung könne "ganz offensichtlich nicht vorliegen". Denn darunter verstehe das Strafrecht die Herstellung einer unechten Urkunde oder die Verfälschung einer echten Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr bzw. den Gebrauch einer solchen Urkunde.

Ein Parteifreund des Stuttgarter Innenministers ist der aus Schlesien stammende CDU-Landtagsabgeordnete Arnold Tölg. Tölg ist gegenwärtig auch baden-württembergischer Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen (BdV) und vertritt rund 40.000 Mitglieder (siehe auch JF-Interview 2/2000). Auf dem 48. Landesverbandstag der Vertriebenen Anfang Mai in Stuttgart wurde Tölg mit dem Urkundenproblem konfrontiert. Man habe, so wurde aus den Reihen der Delegierten kritisiert, mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, daß im Land die Sterbeurkunden Heimatvertriebener mit dem Zusatz des jetzigen Staatsgebietes versehen würden. Auf die konkrete Forderung an die Stuttgarter Landesregierung, diese Praxis künftig zu unterbinden, wollte man sich indes nicht festlegen.

Als die Republikaner daraufhin ihre Forderung nach einer entsprechenden Verwaltungsvorschrift am 24. Mai im Innenausschuß des Stuttgarter Landtags zur Abstimmung stellten, wurde dieser nicht nur von SPD und FDP, sondern auch mit allen Stimmen der CDU abgelehnt.


 
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