© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/00 02. Juni 2000

 
Der Spion aus den Bergen
Südtirol I: Peter Paul Rainer soll ein Doppelagent gewesen sein
Beatrix Madl

Peter Paul Rainer soll sowohl für den österreichischen als auch für den italienischen Militärgeheimdienst gearbeitet haben. Die Neue Südtiroler Tageszeitung enthüllte dies jetzt über den ehemaligen Vordenker der Südtiroler Freiheitlichen und Schützen. Rainer war Ende vorletzter Woche im oberitalienischen Brescia erneut wegen Mordes an dem Südtiroler Landtagsabgeordneten Christian Waldner zu zwanzig Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Seit Beginn des Prozesses ist er verschwunden. Die Neue Südtiroler Tageszeitung hat – nach eigener Auskunft – ein Dienstbericht der österreichischen Staatspolizei vorgelegen. Demnach habe Rainer im Juni vorigen Jahres "hochrangige Beamte der italienischen Staatspolizei und SISMI-Leute", also Mitarbeiter des italienischen Militärgeheimdienstes (Servizio Informazioni Sicurezza Militare) im Pustertal an der Grenze zu Österreich getroffen. Der Redaktion sei zudem sein Kontaktmann bekannt. Einen weiteren Report, von dem die Redaktion der Tageszeitung Kenntnis habe, verfaßte die politische Polizei Italiens, die Digos. Darin steht, der Südtiroler Politiker habe 1995 einen Bericht des österreichischen Heeresnachrichtenamtes über angebliche Waffenlager der Südtiroler Schützen verfaßt.

Bereits kurz vor Rainers Freispruch in zweiter Instanz soll ein Tiroler Spitzenbeamter die Führung von Schützen und Freiheitlichen in Südtirol über diese nebenberufliche Tätigkeit informiert haben. So ist zu erklären, daß niemand von ihnen zum Urteilsspruch in Trient war, um mit ihm die Freilassung zu feiern. In den Medien distanzierten sie sich bald von ihrem ehemaligen Weggefährten. So kam es wohl auch zu der berühmten Puppenspieler-Aussage des ehemaligen Bundesmajors der Schützen, Stephan Gutweniger: "Ich habe das Gefühl, daß der Peter Paul ein Puppenspieler ist, der viele Kasperlen hat tanzen lassen." (JF berichtete).

Pius Leitner, Chef der Freiheitlichen in Südtirol, hat seinem Ex-Parteikollegen kurz nach dessen Freilassung drei Fragen gestellt: "Warum hast Du Dir eine Waffe besorgt? Warum hast Du damit bei uns im Büro geschossen? Warum hast Du eine Tat gestanden, die Du nicht begangen hast?" Der Landtagsabgeordnete bekam darauf keine befriedigende Antwort.

In einem Fernsehinterview hatte Rainer kurz nach dem Freispruch behauptet, er habe sich bedroht gefühlt, und sich deswegen bewaffnet. Daß er sich mit einem langen Gewehr, das zudem klemmte, sicherer wähnte, überzeugte bislang niemanden. Die kompromittierenden Schüsse im Parteilokal dienten wohl auch nicht nur dem Training, meinen Rainers ehemalige Freunde. "Man kann nichts ausschließen", meint Leitner gegenüber der JF." So ein intelligenter Mensch wie der Rainer muß gewußt haben, welchen Schaden er mit der Schießerei anrichtet."

Die Schüsse im Parteilokal wären vor dem Hintergrund, daß es sich bei dem Volkstumspolitiker um einen Doppelagenten handelte, nun ebenso zu erklären wie das falsche Geständnis. "Lieber ein Mörder als ein Verräter", hatte Rainer sybillinisch in seinem letzten Interview im März geäußert, als er noch als "Dr. Rainer Maria Ulrich" beim katholischen Radio Horeb im Oberallgäu arbeitete. Rainers Vater, Peter Rainer, nahm jetzt in einem Interview mit der Südtiroler Tageszeitung Dolomiten zu den Vorwürfen, die gegen seinen Sohn erhoben werden, Stellung: "Glauben Sie, daß wir als Eltern nicht irgend etwas gemerkt hätten, in all den Jahren, wenn er Waffen gehandelt hätte oder für mehrere Seiten als Agent tätig gewesen wäre?" Von Waffenhandel war in der Enthüllungsstory der Neuen Südtiroler Tageszeitung mit keinem Wort die Rede. Möglicherweise verbirgt sich darin jedoch die nächste Überraschung des "Dr. Ulrich" alias Peter Paul Rainer.


 
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