© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/00 02. Juni 2000

 
Kinder sind kein Problem, oder doch?
Dieter Stein

Wenn in einer Firma Stellen neu zu besetzen sind, bahnt sich für den Verantwortlichen ein Marathon an: Vorstellungsgespräche. Nehmen wir einmal an, es geht um eine Stelle als Sachbearbeiterin im kaufmännischen Bereich. Es melden sich junge Frauen, ältere Frauen, verheiratete, ledige, geschiedene. Man klopft den bisherigen Berufsweg ab, prüft Stärken und Schwächen, Kenntnisse und Lebensgewohnheiten. Irgendwann wird das Gespräch auf das Thema Kinder gelenkt. Vor einem sitzt eine junge Frau, Ende Zwanzig. Ja, sie hat zwei Kinder im Alter von zehn und acht Jahren. Zwei wilde Jungs. Wer paßt auf die Kinder auf, wenn sie mal krank sind? "Das ist ein Problem." Oma ist keine da, der Mann hat sie sitzengelassen. Dann stellt sich eine andere junge Frau vor, die frisch liiert ist. Wird sie demnächst schwanger, fragt man sich grübelnd. Und dann?

Die Frau mit den zwei Söhnen schildert verbittert, was sie sich schon alles anhören mußte von möglichen Arbeitgebern: "Wann werfen Sie denn das nächste Mal?" wurde sie höhnisch gefragt. Viele Arbeitgeber lehnen es rundheraus ab, eine alleinerziehende Mutter mit jungen Kindern zu beschäftigen.

Warum nur werden Kinder bei Einstellungsgesprächen problematisiert? Warum fragt man nicht neugierig und freudig überrascht nach Kindern oder möglichem Kinderwunsch? Warum stellen Mütter für Unternehmen ein Produktivitätshindernis dar? Solange Kinder die Chancen der Mutter auf dem Arbeitsmarkt einschränken, braucht es aber niemanden zu wundern, daß in Deutschland immer weniger Kinder in die Welt gesetzt werden. Wer Verantwortung für Kinder hat, und das sind vor allem Frauen, wird von dieser Gesellschaft letztlich bestraft.

Eine Familie zu gründen, Kinder in die Welt zu setzen, ist Luxus oder asozial – so scheint es. Die ideale weibliche Mitarbeiterin der Unternehmen, die "fit für das 21. Jahrhundert" sein wollen, ist unter 35, flexibel, belastbar, unverheiratet, sterilisiert und hat das Thema Familie abgehakt.

Wer tatsächlich an Kinder und Familie denkt, klinkt sich aus der Jagd nach beruflichem Erfolg aus und landet auf der karrieremäßigen Standspur. Kurz: Wer Kinder hat – ob nun in einer intakten Familie oder alleinerziehend –, wird gesellschaftlich bestraft. Moralische öffentliche Anerkennung ist selten, die Erziehungsleistung, die vornehmlich durch Mütter vollbracht wird, wird materiell nicht honoriert. Ob dies so sein muß, kann man mit Recht fragen. Hingegen wäre es, wenn man schon zum Schutz der Umwelt über "Ökosteuern" einführt, zum Schutz und zur Förderung von Familie und Kindern überfällig, eine "Familiensteuer" einzuführen, mit der diejenigen belastet werden, die keine Verantwortung für Kinder übernehmen und keine Familie gründen.

Doch halt! Die Abgabenlast im Hochsteuerland Deutschland ist schon hoch genug. Deshalb müssen Familien schlicht überproportional weiter materiell entlastet werden. Wer für den Fortbestand der Gemeinschaft etwas leistet, muß belohnt werden.


 
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