© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Weltausstellung: Globalisierungsgegner rüsten zum Sturm auf Hannover
Sternmarsch auf Expo-Town
Armin von Joosten

Wenn man sich ganz still verhält und gut zuhört, dann ist aus den Weiten der gesamten Republik ein leises Flüstern zu vernehmen. Dabei handelt es sich nicht um das Raunen eines weit entfernten Gespräches und auch nicht um die Töne irgendeiner Melodei. Genau genommen handelt es sich um den Countdown zur Eröffnung der großen Weltausstellung in Hannover.

Große Vorfreude ist angesagt in deutschen Landen, und so zählen nicht nur die Fans und neugierigen Expo-Interessenten die Tage und Stunden bis zum großen Ausstellungsbeginn herunter. Ebenso freuen sich die Polizisten, die privaten Wachleute und die anderen Vertreter der staatlichen Aufsichts- und Kontrollorgane auf den Augenblick, in dem die Pforten des Expo-Geländes geöffnet werden. Doch da gibt es auch Menschen, die sich viel mehr freuen als alle anderen zusammen. Diese Leute sind so happy, daß sie sogar zu vielen kleinen Partys und Happenings, zu Straßenkampf und Sitzblockaden einladen, extra zu Ehren der Expo. Für diese Mit-Menschen, zumeist gehören sie zu den Minderheiten der Autonomen, der Punk-Szene, der militanten Globalisierungsgegner und der Menschenrechtskämpfer, soll die Expo eine richtige Gaudi werden. Na dann, viel Spaß.

Nicht so spaßig allerdings finden die Behörden von Hannover das Anliegen der Expo-Gegner, aus dem Großereignis Weltausstellung 2000 ein Fun-Event werden zu lassen, das vor allem der körperlichen Ertüchtigung dient. Denn ginge es nach deren Willen, dann müßten sich die Initiatoren und Ausrichter der Expo sowie die Behörden der Stadt Hannover warm anziehen, aber richtig warm. Für die Gegner der Weltausstellung bedeutet Spaß vornehmlich, Störaktionen zu fahren, noch und nöcher, bei denen es hart zur Sache gehen wird, auf beiden Seiten. Um diesen möglichen Angriffen vorzubeugen, werden in Hannover um die 4.000 Polizisten, zusammengetrommelt aus dem gesamten Bundesgebiet, Präsenz zeigen und dafür sorgen, daß nicht nur die Kleinkriminalität nicht überhand nimmt, sondern auch daß mögliche Terrorakte verhindert, zumindest aber potentielle Attentäter im Vorfeld verschreckt werden. Doch das größte Massenaufgebot an bewaffneten Kräften seit den "68er-Unruhen" und den Protesten gegen den Nato-Doppelbeschluß gilt auch den Störenfrieden aus der extremen Anti-Expo-Ecke, die auf ihr angestammtes "Menschenrecht" auf Spaß nicht verzichten wollen.

Was sich nun genau diese Spaßvögel unter einer Gaudi vorstellen, mag hier kurz skizziert werden. Beginnt man die Reise in die lustige Welt der trotzigen Möchtegernrebellen mit einer Surf-Tour auf den weltweiten Netz-Seiten, dann kann es einem eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Auf einer der Unmengen an Homepages der erklärten Expo-Feinde ist das Bild eines völlig zerstörten Hannover zu sehen, ausgebrannt und dem Erdboden gleichgemacht. Es bedarf wohl keiner weiteren hochabstrakten und psychologisierenden mentalen Brückenschläge, um zu begreifen, welche perversen Fantasien sich hier austoben. Die perfiden Träumereien tragen eindeutig eine Botschaft: Legt die Expo-Stadt in Schutt und Asche! Sicherlich werden dies die Spinnereien einer besonders radikal-fundamentalistischen und extrem militanten Minderheit bleiben, doch haben solcherart revolutionärer und gesellschaftsverändernder Träume zumeist das Ziel, in den All-Tag aller umgesetzt zu werden. Die Folgen solch abstruser pupertärer Revoluzzer-Phantasien bedürfen hier keiner weiteren Erläuterung. Tatsache bleibt: Eine ganz bestimmte Gruppe von Expo-Gegnern mißbraucht hierfür eine Fotografie, zumindest ein Motiv, aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Stellt sich der Betrachter dieser Bilder einmal vor, daß die gleichen Leute vor wenigen Monaten noch für die Wehrmachtsausstellung protestierten, unter dem Vorwand, die Soldaten der Wehrmacht seien gefühlsentkernte Barbaren gewesen, und wird man nun mit diesem unverhohlenen Aufruf zur Gewalt in Gestalt einer Trümmerwüste konfrontiert, dann ist dies ein Schlag ins Gesicht eines jeden zivilisierten demokratisch-orientierten Staatsbürgers. Sich auf der einen Seite als Verfechter der Menschenrechte zu gerieren und im gleichen Atemzug das Grauen des Luftterrors als Kampfansage gegen Kapital und Unrechtsregimes zu mißbrauchen, ist nicht nur pervers, sondern sollte doch irgendeinen Straftatbestand erfüllen. Darüber hinaus greift es die Gefühle vieler Bürger an, die den Schrecken des Bombenkrieges mit ihrer Habe, der Gesundheit oder gar dem Leben bezahlen mußten. So muß dies auch der CSU-Abgeordnete Ernst Hinsken gesehen haben, für den dieser offene Aufruf zur Gewalt ein Grund war, sich schriftlich an Innenminister Otto Schily zu wenden.

Fakt ist: Die Expo 2000 gilt den Globalisierungsgegnern als Aufhänger, Aktionen zu starten. Und damit steht Hannover mit Seattle und Davos in einer Reihe, wo es jeweils schwere Auseinanersetzungen mit der Polizei und teilweise, wie in Davos, auch mit dem Militär gegeben hatte. Für Hannover soll dagegen eine etwas andere Taktik angewandt werden: die der kleinen Nadelstiche. Geplant ist eine Aktionswoche vom 27. Mai bis 4. Juni, in welcher unterschiedliche Aktionen durchgeführt werden sollen. Beispielsweise soll am 1. Juni unter dem Motto "Die Expo wird nicht eröffnet" versucht werden, das Verkehrschaos zu maximieren, indem "kleine und große, nette, spaßige oder direkte Aktionen, Blockaden usw. am Eröffnungstag der Weltausstellung auf Straßen, Kreuzungen, Eingängen usw." initiert werden, die zu einem totalen Stillstand des öffentlichen und privaten Verkehrs führen sollen. Am 3. und 4. Juni sind "vielfältige Aktionen" angedacht, die vor allem den Innenstadtbereich lahmzulegen versuchen. Bezeichnenderweise lautet der Schlachtruf: "Reclaim The Streets" oder prosaischer: Straßenkampf. Die Aktionen sind alle von langer Hand geplant und durchaus logistisch vernünftig. Über Internet-Netzwerke werden Termine vereinbart, so sollen zum Beispiel per Sternmarsch alle Expo-Gegner aus den vier Himmelsrichtungen auf Hannover zumarschieren, um so für Chaos zu sorgen. Man darf also gespannt sein, ob die Expo-Gegner ihren eigenen Vorstellungen gerecht werden, auf jeden Fall wäre es eine Weltausstellung der ganz alternativen Art. Übrigens: Schily gab dem Bundestagsabgeordneten zu verstehen: Wir haben alles im Griff. Na dann, viel Spaß.


 
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