© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Schwüle Ästhetik
Kino: "Gods and Monsters" von Bill Condon
Ellen Kositza

Daß "Frankenstein"-Regisseur James Whale Homosexualität als Lebensform hoffähig gemacht habe, wird man schwerlich behaupten können. Zwar hatte sich der Filmkünstler offen zu seinen sexuellen Präferenzen bekannt, die Verzeichnung zur schwulen Ikone blüht ihm erst jetzt.

"Gods and Monsters", die Leinwand-Biographie Whales, die bereits 1998 das schwul-lesbische Filmfestival in Köln eröffnen durfte, kommt nun in deutsche Kinos. Es ist einer dieser Filme, denen mindestens vier von fünf möglichen Sternchen auf der Güteskala in den Kinospalten der Zeitungen und Zeitschriften sicher sind. Aufrichtigerweise muß man schließlich differenzieren zwischen einer mit "Niveau" gestalteten Homosexuellentragödie und den mehr oder minder geistlosen, szeneklebrigen Zeitgeistschwulitäten, die sonst so über die Leinwand flimmern.

"Gods and Monsters" also gebiert sich als Künstlerdrama: Der Brite James Whale (Ian McKellen) lebt ebenso zurückgezogen wie mondän in seiner Villa in Hollywood, umsorgt von der Haushälterin Hanna (Lynn Redgrave), einer strengen Mutterfigur. Die größten Erfolge des Regisseurs aus den dreißiger Jahren, "Frankenstein" und "Frankensteins Braut", liegen lange zurück. Für die Zeit nach seinem Tod hat der eitle Meister seinen möglichen Biographen eine glamouröse Lebenserzählung erschaffen, an der zum uneingestandenen Verdruß Whales jedoch noch niemand Interesse angemeldet hat. Daß er krank ist, kann der Künstler nicht mehr länger verdrängen; zu zahlreichen Schlaganfällen kommt eine Gedankenraserei in seinem Hirn hinzu, die mit vehementem Drang Bilder aus seiner Jugend aufkommen und ihn, bisweilen unter Qualen, erneut erleben läßt.

Whale ist ein Greis, doch eine Diva mit Stil, er kopiert mit einigem Geschick die Gemälde großer Meister und beobachtet aus dem Fenster seines Ateliers den jungen Gärtner Clayton Boone (Brendan Fraser). Bald schon hofiert er den Schönen – wie eine Katze, die das Mausen nicht läßt, doch geht Whales Interesse an Clayton über eine sexuelle Affinität hinaus; so will es der Film.

Boone wird für den gealterten Regisseur zum Monster Frankensteins, zu seinem eigenen Geschöpf also, zur Kunstfigur, die er in die Inszenierung seines Lebensendes einbeziehen will. Zwischen Gedankensplitter über die Schützengräben des Weltkriegs, über seine erste Liebe zu einem Soldaten, über seinen vergangenen Ruhm mischen sich Whales Pläne zu seinem eigenem Tod, an dem Clayton beteiligt werden soll.

Homosexuelle zählen zu den Randgruppen unserer Gesellschaft, die in ihren Äußerungen, ihre sexuelle Identität betreffend – sei es publizistischer oder künstlerischer Art – selten unterlassen, was gängige Klischees stützen. (Schwule selbst mögen das mit Verweis auf heterosexuelle Liebesgeschichten anders sehen.) So wirken Filme, die Homosexuelle als Hauptzielgruppe anstreben, fast zwangsläufig als aufdringliche Selbstoffenbarung. Die Kinoluft wird langsam schwül, und man könnte sich ein Spiel daraus machen, zu raten, welches Thema – im Sinne eines Bildes aus dem Schwulen-Repertoire – als nächstes aufs Tapet gebracht wird: schläfriger Jüngling im Morgenmantel, muskelbepackter Arbeiter mit nacktem Oberkörper und tumbem, doch geilem Blick oder das Ding mit der Gasmaske als erregendem Fetisch.

Auch in "Gods and Monsters" werden allerlei Register gezogen, man setzt bisweilen auf Schlüsselreize, daß es nur so kracht, dies alles freilich ästhetisierend verbrämt, ein wenig "griechisch" soll’s halt wirken. Natürlich vergißt der Filmverleih nicht, auf den Hauch von "Der Tod in Venedig" hinzuweisen, der auch diesen Film umwehen soll. Klar: Alter und Jugend, Liebe und Tod, die Exklusivität einer Beziehung, in der Geistiges und Körperliches zu einem allumfassenden Eros verschmelzen – die obligatorischen Zutaten liegen parat.

Und dennoch: Wo einige Szenen gerade im Mittelteil des Filmes tatsächlich zu ergreifen verstehen, degradiert das peinliche Ende dann die gesamte Geschichte zu einer leicht schwülstigen Lappalie. Blende in die Zukunft: Clayton hat eine hübsche Wohnung, eine schicke Frau und einen süßen Sohn, gemeinsam schaut man "Frankensteins Braut" an. Daraufhin zeigt Clayton dem Kleinen eine Originalzeichnung Whales, worauf Papi, der Gärtner von damals, mit den Zügen des Monsters zu sehen ist, darunter eine vielsagend-anrührende Bemerkung des Regisseurs. Dann setzt draußen starker Regen ein, und Clayton Boone tanzt mit gen Himmel gestreckten Armen über die Straßen der Vorortsiedlung. Es gibt eine Sorte Gänsehaut, die nicht auf Wohlbehagen verweist ...


 
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