© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Halb Afrika könnte kommen
Spanien: Illegale und legale Einwanderer werden zu einem unlösbaren Problem
Carlos E. Izquierda

Die illegale Einwanderung wird in der spanischen Tagespolitik immer mehr zum alles bestimmenden Thema. Die Statistiken für das Jahr 2000 zeigen, daß die von Europa ausgehende Sogwirkung schlagartig zugenommen hat. Die spanische Guardia Civil hat allein in der Nordafrikaenklave Ceuta in den letzten vier Monaten 54 Flüchtlingsboote abgefangen, 15 mehr als in dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahres. Nach Angabe des Regierungsbeauftragten Luis Vicente Moro warten bei Ceuta zudem 2.500 zur Einwanderung entschlossene Marokkaner auf eine Gelegenheit zur Überfahrt. Auch beim spanischen Küstenabschnitt von Algeciras beabsichtigen nach Schätzungen der Provinzregierung 5.000 bis 7.000 Nordafrikaner illegal ins Land einzureisen.

Betroffen durch den Ansturm sind jedoch vor allem die Kanarischen Inseln. Die Unübersichtlichkeit der zahlreichen Küsten und die große Fluktuation durch Touristen machen eine wirksame Kontrolle unmöglich. Die örtlichen Behörden haben bereits das Handtuch geworfen und die Regierung um Hilfe gebeten.

Der Druck auf die Regierung wächst. Nicht nur die zunehmende Zahl von ertrunkenen Flüchtlingen zwingt zum Handeln, sondern auch die anschwellenden Konflikte zwischen Einheimischen und Immigranten.

Es brodelt an vielen Ecken des Landes. Die andalusische Stadt El Ejido war bisher der Höhepunkt der Konfrontation zwischen Spaniern und "moros" (eine verallgemeinernde Bezeichnung für alle Afrikaner). Im Januar diesen Jahres kam es in El Ejido zu Ausschreitungen gegen Marokkaner, weil ein marokkanischer Landarbeiter eine junge Spanierin mit einem Messer tödlich verletzte und ebenfalls des Mordes an zwei Bauern bezichtigt wurde.

Die Vorkommnisse häufen sich: So kam es am 9. Mai in der südspanischen Kleinstadt Lepe zu ähnlichen Vorfällen. Bei einer Auseinandersetzung zwischen spanischen und marokkanischen Jugendlichen wurde ein 14jähriger – vollkommen unbeteiligter – Spanier von einem 26 Jahre alten Marokkaner mit einer Glasflasche so schwer im Gesicht verletzt, daß er voraussichtlich sein Augenlicht verlieren wird. Nach diesen Geschehnissen ging ein Teil der Stadtbewohner auf die Jagd nach dem Täter, wobei es zu Übergriffen gegen Marokkaner kam. Nur ein Großaufkommen von örtlicher Polizei und Guardia Civil konnte Schlimmeres verhindern.

Obwohl der Ausländeranteil mit zwei Prozent im europäischen Vergleich relativ gering ist, wird der Unmut in der spanischen Bevölkerung immer größer. Hauptursache ist die hohe kriminelle Energie zahlreicher Zuwanderer. Die Polizei meldet eine täglich zunehmende Zahl von Anzeigen wegen sexueller Belästigung und Rauschgiftdelikten, bei der Nordafrikaner Tatverdächtige sind. Festnahmen wie am 8. Mai in Murcia, wo fünf Marokkaner zwischen 21 und 26 Jahren wegen Handels mit zwei Kilo Haschisch inhaftiert wurden, gehören mittlerweile zum Alltag auf der iberischen Halbinsel.

Die Illegalen kommen jedoch nicht allein aus den Magreb-Staaten. In Fuerteventura wurde ein Boot mit 15 Schwarzafrikanern aus Sierra Leone von der Küstenwache aufgespürt. Beim Grenzübergang zu Frankreich wurden sogar 19 Pakistanis festgenommen, die ohne Papiere illegal einreisen wollten.

Die frisch gewählte spanische Regierung sah sich aufgrund dieser plötzlichen Ausmaße zum Handeln gezwungen. Das als zu liberal beanstandete Einwanderungsgesetz soll nun umgehend wieder verschärft werden. Insbesondere die Legalisierung des Status der Einwanderer, die ohne Papiere in Spanien eingedrungen sind und freien Zugang zu den Sozialversicherungsleistungen haben, soll geändert werden. Kritiker sahen in dem erst vor kurzem in Kraft getretenen Gesetz den Hauptgrund für den plötzlichen Anstieg der Zuwanderung. Ferner hat Ministerpräsident José Maria Aznar bei seinem Antrittsbesuch in Rabat die marokkanischen Behörden eindringlich darum ersucht, bei der Eindämmung der massiven Immigration mitzuhelfen.

Nach alledem scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis Europa genauso wie die Vereinigten Staaten an seinen südlichen Grenzen regelrechte Schutzwälle errichten muß. Wie dann die spanischen Enklave Ceuta in Nordafrika noch gehalten werden soll, ist fraglich.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen