© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Auf der Flucht
Südtirol: Peter Paul Rainer wurde erneut zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt
Beatrix Madl

Peter Paul Rainer, ehemals Vordenker der Schützen und der Freiheitlichen in Südtirol, ist am vergangenen Samstag zu einer Gefängnisstrafe von zwanzig Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß er seinen ehemaligen Parteifreund Christian Waldner im Februar 1997 ermordet habe. Das Oberlandesgericht in Brescia/Oberitalien hatte nach der Aufhebung des Freispruchs vom Dezember 1998 durch ein Kassationsgericht in Rom über den Fall zu entscheiden. Achtzehn Jahre soll Rainer für den Mord eingesperrt werden, zwei Jahre und sechs Monate wegen illegalen Waffenbesitzes. Generalstaatsanwalt Guiseppe Locatelli hatte für 27 Gefängnisjahre plädiert. Der Gerichtspräsident Enzo Platé erließ Haftbefehl "wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr" gegen den Verurteilten. Er habe fortgesetzten Kontakt zu "ultranationalen, extremistischen Kreisen im Ausland", die ihn verstecken könnten. Entgegen vorherigen Ankündigungen war Rainer in der vorigen Woche nicht zum Prozeß erschienen. Seine Eltern begründeten seine Abwesenheit mit einer Magenverstimmung. Jetzt wird er international gesucht: Bis kurz vor Prozeßbeginn arbeitete der ehemalige Politiker als Radioredakteur unter dem Namen "Dr. Rainer Maria Ulrich" beim katholischen Sender Radio Horeb in Balderschwang, einem kleinen Ort im Oberallgäu an der Grenze zu Vorarlberg. Er wohnte dort im Haus von Pfarrer Richard Kocher, den der Augsburger Bischof Viktor Josef Dammertz als Programmverantwortlichen eingesetzt hat. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes war Rainer, obwohl im Pfarrhaus schon seit Mitte August vorigen Jahres wohnhaft, polizeilich nicht gemeldet. Bei Kocher haben Suchende den Verurteilten bislang nicht gefunden. Der Sender ist jedoch – als Mitglied der Radio-Maria-Familie – in einem weltweiten Netzwerk, das sich über fünfzig Länder erstreckt.

Beobachter rechneten schon zu Prozeßbeginn am vorigen Dienstag mit einer Verurteilung: Anträge der Verteidigung, die auf die Würdigung neuer Beweise abzielte, lehnte das Gericht ab. Die Anwälte Guiseppe Frigo und Giampiero Mattei wollten mit neuen Aspekten belegen, daß das Mordopfer Waldner noch am Nachmittag des 15. Februar lebte. Die Staatsanwaltschaft vertrat hingegen die These, Rainer habe bereits mittags auf seinen Freund geschossen. Für den Nachmittag und den Abend hatte er ein Alibi. Der Generalstaatsanwalt Guiseppe Locatelli wertete zudem den Umstand als Beweis, daß Rainer die Ermittler zum Versteck seiner Waffe geführt habe. Die Verteidigung brachte dagegen vor, daß das aufgefundene Gewehr nicht das ihres Mandanten gewesen sein könne: Bereits in den ersten beiden Instanzen sagten Zeugen aus, daß die eigene Waffe des 32jährigen defekt war. Der junge Staranwalt Mattei sprach in seinem zehnstündigen Plädoyer von einer "politischen Verschwörung" gegen Rainer.


 
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