© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
PRO&CONTRA
Das Briefmonopol der Post beibehalten?
Günter Wiese / Dr. Christian Schwarz-Schilling

Ob das Monopol im Briefverkehr nur nachteilig zu bewerten ist, muss bezweifelt werden. Sicher paßt ein Monopol nicht zur marktwirtschaftlichen Ordnung, aber der Postverkehr ist auch kein Produkt, das von Angebot, Nachfrage und Preisgestaltung abhängt, sondern von den Bedürfnissen der Menschen. Mit dem Fall des Briefmonopols ist eine flächendeckende Grundversorgung der Bevölkerung mit Postdiensten nicht gewährleistet. Private Firmen werden trotz der entsprechenden Auflagen bei den Lizenzvergaben nur gewinnbringende Dienste in Ballungsbereichen anbieten. Pofitieren werden daovn die Bewohner von Städten. Die Bevölkerung in ländlichen Gebieten wird das Nachsehen haben. Geschäftskunden werden umworben, Privatkunden werden – wie bei den Banken – als lästiges Übel betrachtet, denn sie tragen nicht zur Erzielung von Gewinnen bei. Die Verpflichtung zum Gemeinwohl beinhaltet auch ausreichende Postdiensleistungen für alle Menschen und zu einheitlichen Preisen. Die Wettbewerber werden dies nicht erbringen, sondern sie werden "Rosinenpickerei" zur Steigerung ihrer Gewinne betreiben. Die Beschäftigten bei der Deutschen Post AG sind die Leidtragenden. Der Wettbewerbsdruck wird ihre beruflichen und sozialen Interessen den Kosten unterordnen. Sie werden lediglich als Kostenfaktor betrachtet und dem Gewinnstreben geopfert. Nicht nur ein rigoroser Arbeitsplatzabbau ist die Folge, sondern auch ein verstärkter Druck auf die Löhne. Die bei der Post verloren gehenden und bereits vernichteten Arbeitsplätze werden von den Wettbewerbern nicht ausgeglichen. Neben Billigjobs werden überwiegend schlecht bezahlte Arbeitsplätze eingerichtet. Ohne ein Monopol im Briefverkehr ist eine zuverlässige, flächendeckende Versorgung bei einheitlichen Preisen bzw. Preisnachteilen für Privatkunden nicht gewährleistet. Der regulierte Wettbewerb ist in der sozialen Marktwirtschaft keine Alternative zum Monopol.

 

Günter Wiese ist Geschäftsführer für Berlin der Christlichen Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation.

 

 

Heute kann es jeder sehen: Das Ende des Telefonmonopols und der Wettbewerb durch die Postreformen ist ein voller Erfolg geworden. Die Preise sind dramatisch gesunken, die Qualität hat einen Höchststand erreicht. Die Telekommunikation zum Wachstumsmotor für die Wirtschaft geworden. Auch die "gelbe Post", die mit jährlichen Quersubventionen in Milliardenhöhe aus dem Fernmeldebereich am Leben gehalten wurde, ist heute eine gesunde "Deutsche Post AG" geworden.

Um so erstaunlicher ist es, welche Ängstlichkeit die Politiker der Regierung ergriffen hat, wenn es um die Beendigung des Postmonopols geht. Erst greift man in die Verantwortlichkeit der Regulierungsbehörde ein und verbietet genaue Untersuchungen darüber anzustellen, ob die Monopolgewinne der Post nicht auch dem Verbraucher in Form einer Gebührensenkung zugute kommen sollte. Und jetzt denkt die Bundesregierung darüber nach, die Beendigung des Briefmonopols über das im Postgesetz festgelegte Datum des Jahres 2003 auf das Jahr 2007 hinaus zu zögern. Nur weil einige EU-Länder, die schon immer im Bremserhäuschen gesessen haben, ihre Ängstlichkeit und ihre Lust, den Staatsdirigismus aufrecht zu erhalten, kund tun, fällt der deutschen verantwortlichen Politik gleich das Herz in die Hose!

Börsengang, Aufrechterhaltung des Staatsmonopols und Lahmlegen der Regulierung ist im übrigen eine schwere Sünde gegen den Geist der sozialen Marktwirtschaft und der Weltwirtschaftsordnung. Diese Verantwortungslosigkeit wird uns noch teuer zu stehen kommen. Das registriert im übrigen auch die politische und vor allem auch wirtschaftliche Welt außerhalb Europas sehr aufmerksam. Wenn heute der Euro tiefer und tiefer fällt, dann nicht wegen irgendwelcher Versäumnisse der Europäischen Zentralbank, sondern genau wegen dieser Halbherzigkeit und Amateurhaftigkeit europäischer Politik, die der Dynamik der Weltmärkte nicht gewachsen ist.

 

Dr. Christian Schwarz-Schilling, CDU-Bundestagsabgeordneter, war von 1982–1992 Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen