© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Neue staatliche Aufgaben
Dieter Stein

Was haben unsere nimmermüden Staatsfanatiker von links bis rechts nicht dem Gemeinwesen schon alles an alleinseligmachenden Aufgaben zugewiesen: Vom Kindergarten über die Schule bis zur Universität, von sozialer und medizinischer Versorgung und Absicherung, von der Einrichtung kommunaler Betreuungseinrichtungen, dem Organisieren von Freizeit für desorientierte Jugendliche ... überall greift die milde, lenkende und schützende Hand des Staates ein und führt die tumbe Masse der Menschen mal hierhin, mal dorthin. Wache Politiker entwerfen Hochhausghettos des sozialen Wohnungsbaus, in denen Menschen wie Hühner in Legebatterien gehalten werden.

Eine der ältesten Forderungen linker und rechter Sozialisten ist die Forderung nach einem "Recht auf Arbeit", das der Staat zu garantieren habe. Verwirklicht wurde dies weitestgehend in der DDR. Arbeitslosigkeit wurde kaschiert, auch indem massenhaft Menschen mit unproduktiver Arbeit beschäftigt wurden. Es ist demgegenüber berechtigt zu fragen, ob eine Ex- und Hopp-Mentalität der Shareholder-Value-Gesellschaft die Alternative ist, in der Arbeitnehmer über 40 zum alten Eisen gehören, Rentner in Altenheime abgeschoben werden und beitragszahlende Mittzwanziger beim Stichwort Pflegepatienten als erstes an Sterbehilfe denken.

Für alles hat der Staat eine Lösung, für alles gibt es einen Beauftragten, ein Antragsformular, eine Bewilligung, einen Zuschuß. Immer wird man aufgefangen: Selbst wenn man nichts macht. Sozialhilfe bekommt man immer, Wohngeld, medizinische Versorgung ... überall fängt ein schützendes Netz den Strauchelnden auf, auch wenn er es vielleicht gar nicht will.

Warum aber ist noch niemand auf die Idee gekommen, ein "Recht auf Liebe" oder ein "Recht auf Partnerschaft" im Grundgesetz zu verankern? Soeben erst hat das Fachblatt für den alleinstehenden Herrn, Der Spiegel, mit dem Thema "Singles – zwischen Freiheit und Einsamkeit" aufgemacht. Das Magazin fand heraus, daß die Einpersonenhaushalte von 1970 bis 1998 von 25,1 auf 36,2 Prozent zugenommen haben. Bei den 25- bis 45jährigen ist der Anteil im gleichen Zeitraum besonders sprunghaft angestiegen, nämlich von 4,6 auf 11,8 Prozent. Und, Sie ahnen es, in der Mehrheit sind es Männer, die davon betroffen sind, alleine zwischen Fernseher und Kühlschrank abends hin- und herzupendeln.

Dies ist eindeutig eine Lücke im Versorgungsapparat des Staates. Sozialpolitiker aller Parteien sollten den Handlungsbedarf erkennen und unverzüglich Gesetzesvorschläge erarbeiten, nach dem Alleinlebenden adäquate Partner über ein "Liebesamt" vermittelt werden. Sollte der Bedarf einheimischer Partnerinnen oder Partner nicht ausreichen oder sollte die Flexibilität vorhandener partnerfähiger Deutscher nicht ausreichen, könnte die begrenzte Einführung einer "Red Card" erwogen werden, mittels derer Liebes-Experten aus Fernost – und wenn nur mit befristeter Aufenthaltserlaubnis – angeworben werden könnten ...


 
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