© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/00 19. Mai 2000

 
Alles ist Kunst
Warhol, Beuys und Baselitz: Vom Fiasko der Avantgarde
Christian Hornig

Rainer Zimmermann, der 1980 ein weiten Kreisen bekannt gewordenes Standardwerk "Die Kunst der Verschollenen Generation. Deutsche Malerei des Expressiven Realismus" vorlegte, hat soeben ein neues Buch veröffentlicht. Es handelt sich um eine Aphorismensammlung, die auf jahrzehntelanger Beschäftigung mit Bildender Kunst basiert und daraus in epigrammatischer Dichte und Prägnanz ihre Erkenntnis filtert.

Wie der Titel "Irrwege der Kunst" andeutet, gehört der Autor wie Wilhelm Hausenstein, Ortega y Gasset oder Hans Sedlmayr zu jenen, die vor allem der ungegenständlichen Kunst mit größter Skepsis begegnen. Zu Recht, denn der abstrakten Malerei fehlen gleich mehrere Dimensionen, die sie erst zur Kunst machen würden. Es fehlen das persönliche Erlebnis, Ausgangspunkt jeder künstlerischen Gestaltung, und die Darstellung des Raumes, der als solcher nur am Gegenständlichen durch Farbe in der zweidimensionalen Fläche erlebbar gemacht werden kann. Der Glaube, der Künstler des 20. Jahrhunderts könne gleichsam beim Nullpunkt anfangen und daher auf alle Überlieferung verzichten, erweist sich bei kritischer Auseinandersetzung als Irrtum. Schon immer war es die Entwicklung in kleinen Schritten, die das jeweils tragfähige Neue evozierte. Einige Vertreter der vielberufenen Moderne werden in ihrer Tabula-rasa-Mentalität nicht ohne Zynismus als "totalitär" dargestellt und in Verbindung zu politischen Systemen wie Stalinismus, Nationalsozialismus und Faschismus gebracht. Nicht zu Unrecht, hatte doch beispielsweise Le Corbusier im "Plan Voisin" nichts geringeres vor, als ganz Paris abzureißen, um dort seine gigantomanen Hochhäuser hinzupflanzen.

Der Band ist interdisziplinär aufgefächert. Erkenntnisse der Philosophie, Psychologie und Zeitgeschichte werden kenntnisreich verarbeitet. Das Büchlein ist daher facettenreich, anregend und in seiner unorthodoxen Kritik des Zeitgeistes erfrischend unabhängig, dabei stets um exakte Bestimmung von Sinn und Aufgabe der Bildkunst bemüht. Schade nur, daß viele Zitate nicht nachgewiesen werden und eine Bibliographie fehlt.

 

Rainer Zimmermann: Irrwege der modernen Kunst. Nous Verlag, Tübingen 2000, 141 Seiten, 34 Mark


 
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