© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/00 19. Mai 2000

 
Traditionsstiftung
Der sowjetische General Bersarin soll Ehrenbürger Berlins werden
Hermann Kreutzer

Nein, wir sind nicht im Jahr 1945, und die Sowjets
stehen nicht am Friedrichshain. Die Grünen und die Linken in der Berliner SPD wollen nur endlich einen Ausgleich für ihre sozialistische Rote Armee. Wo doch zwei amerikanische Offiziere, Oberst Howley und General Clay, Ehrenbürger Berlins sind. Nun soll der sowjetische General Bersarin, den die SED schon einmal zum Ehrenbürger Ost-Berlins erkoren hatte und der nach 1990 nicht in die Gesamtberliner Ehrenbürger-Liste aufgenommen wurde, diese Würde wieder erhalten. Der gute General Bersarin habe doch 1945 in Berlin die Strom-, Gas und Wasserversorgung wieder in Betrieb gesetzt (als ob das in allen anderen deutschen Städten die jeweiligen Stadtkommandanten nicht auch getan hätten). Und was hat der sowjetische Militärchef noch für Berlin getan, wenn man einmal von seiner raubenden und vergewaltigenden Soldateska mit ihren "Uhri, Uhri" und "Frau, komm mit" absieht? Die Berliner von 1945 erinnern sich – an "nischt!"

Es geht auch gar nicht um die Ehrenbürgerschaft des sowjetischen Generals, sondern es geht den Linken in der SPD und bei den Grünen um die sukzessive Herstellung einer positiven sozialistischen Vergangenheit, bei der die Verbrechen dem Vergessen überantwortet und alles andere in rosarotes Licht getaucht werden soll. Die SPD, besonders im Ostteil der Stadt, wäre gut beraten, wenn sie sich endlich um die Würdigung ihrer tapferen Demokraten wie Werner Rüdiger oder Artur Knaak oder Julius Scherf und viele andere, die Freiheit und Leben für sie und die freiheitliche Demokratie geopfert haben, kümmern würde statt um sowjetkommunistische Generäle.

 

Hermann Kreutzer war 1946 Mitbegründer der SPD in Thüringen. Nach politischer Haft und Entlassung in den Westen engagierte er sich wieder in der SPD und arbeitete u.a. im Innerdeutschen Ministerium. 1981 trat er aus der SPD aus.


 
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