© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/00 19. Mai 2000

 
"Der Islam ist nicht expansionistisch"
Österreich: Kontroverse Debatte bei der Festakademie Europa 2000
Jakob Kaufmann

Die Zukunft Europas war das Thema einer öffentlichen akademischen Veranstaltung, mit der Waffenstudenten aus sechs Korporationen ihren Kommers am vergangenen Wochenende in Innsbruck/Tirol eingeleitet haben. Brigadier Gunther Spath aus Graz und der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Initiator der "Deutschland-Bewegung", Alfred Mechtersheimer, beschäftigten sich in Vorträgen mit der Sicherheit Europas. Mechtersheimer fürchtet, daß die Osterweiterung der EU die Sicherheitsstruktur enorm belasten werde. Zudem gefährde sie die Volkswirtschaften sowohl der Europäischen Union als auch der Beitrittsländer. "Ich sehe aber gleichzeitig eine große Chance für Europa. Die EU kann in ihrer bisherigen Gestaltungsform nicht mehr weiterexistieren. So können jetzt Fehlentwicklungen rückgängig gemacht werden."

Gut 200 Gäste erlebten mit einer Podiumsdiskussion über "Nationalitäten-, Religions- und Kulturkonflikte im Europa von Morgen" einen spannenden Abschluß der "Festakademie 2000". Im Innsbrucker Kongreßhaus, das weiträumig von etwa 800 Polizisten gesichert wurde, moderierte der ehemalige Nationalratsabgeordnete der FPÖ, Otto Scrinzi, eine kontroverse Debatte. Friedrich Romig provozierte eingangs mit dem Statement, es geschehe Europa recht, wenn es vom Islam unterwandert werde. Europa befände sich derzeit in einer Krise, weil die religiöse Kraft erlahmt sei. Nur eine neue Konzentration auf Gott könne diese Krise abwenden. Wenn die Religion wieder alle Bereiche der Kultur durchdringe, brauche sich Europa nicht mehr vor dem Islam zu fürchten.

Der islamische Theologe Smail Balic aus Sarajevo entgegnete, daß es auch in der islamischen Welt einen Mangel an religiöser Kultur gebe. Dieser zeige sich am islamischen Fundamentalismus. Terroristen, die sich auf den Islam beriefen, seien im Grunde nicht religiös, sie beriefen sich nur auf die Religion. Der Islam sei grundsätzlich nicht intolerant und expansionistisch.

Hartmut Fröschl, der früher Germanistik in Toronto lehrte, fürchtet, daß durch Familienzusammenführung nochmals Millionen Türken nach Deutschland kämen. Er kritisierte "die verlogene Haltung" der europäischen Elite: Der Türkei, die eine asiatische Bevölkerung habe, stelle sie einen Beitritt in Aussicht, während dies beispielsweise für Rußland und die Ukraine, die europäisch seien, nicht erwogen werde. "Tritt die Türkei der EU bei, so ist Europa verloren", prognostizierte er.

Der Bonner Politikwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter sieht hingegen in der Globalisierung eine zukünftige Herausforderung. Europa befände sich in einer "Inkubationszeit", in der der Wandel Konflikte heraufbeschwören könne. Die wissenschaftliche und technische Entwicklung sei nicht aufzuhalten. So sollten Konservative sich auf das Machbare beschränken und die kulturelle Identität bewahren, indem sie gegen den Verfall der Sprache kämpften. Es gälte jetzt, die Zukunft zu gestalten, viel mehr als die Vergangenheit zu bewältigen.

Der Innsbrucker Bürgermeister Herwig van Staa (ÖVP) meinte, daß ethnische Konflikte häufig religiöse Ursachen hätten. Im künftigen Europa müsse die kulturelle Vielfalt bewahrt werden, nationale Kulturen müßten geschützt und Minderheiten respektiert werden. Die Gemeinschaft hätte sonst keine Chance. Andererseits gäbe es aber keine Alternative zu Europa.

Der niederösterreichische Minister Ewald Stadler (FPÖ) widersprach seinem Vorredner: "Der Nationalstaat hat noch seine Daseinsberechtigung." Die Zuwanderung sollte jedes Land für sich rechtlich regeln können. Der Landesrat gab zu, daß er – was den Beitritt der Türkei zur EU beträfe – "nicht eines Sinnes" mit seinem ehemaligen Parteiobmann Jörg Haider sei. Er sehe die Gefahr, daß die Erweiterung der Gemeinschaft durch die Türken Ländern wie Israel ein falsches Signal gebe. Wegen des Nahostproblems dürfe letzteres nicht in die EU. An den islamischen Theologen Balic gerichtet meinte Stadler, daß nicht die Grundlagen des Islam die Konflikte hervorriefen. "Was, die Praxis daraus macht, ist das Problem".


 
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