© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/00 19. Mai 2000

 
Jetzt ist Italien im korrekten Visier
Frankreich: Nach dem Sieg des italienischen "Pols der Freiheit" läßt Paris einen neuen "Österreich-Boykott" planen
Charles Brant

In der EU ist Frankreich neben Belgien der vehementeste Parteigänger der Ausgrenzungspolitik gegen Österreich. Pierre Moscovici, Minister für europäische Angelegenheiten, hat jetzt auch Italien ein ähnliches Schicksal angedroht.

Am 23. April äußerte er sich im jüdischen Sender Radio J zu den Regionalwahlen in Italien und malte angesichts des Sieges des "Pols der Freiheit" den Teufel an die Wand: "Das Bündnis, das Monsieur Berlusconi mit den fremdenfeindlichen Parteien der extremen Rechten abgeschlossen hat, wird Probleme mit sich bringen." Besorgnis erregten vor allem die Lega Nord von Umberto Bossi und der MSI-Fiamma Tricolore, mit dem sich die Forza Italia lokal zusammentat. "Ich empfinde weder für Monsieur Berlusconi noch für seine Bündnispartner irgendwelche Sympathien, aber die schlimmsten Kopfschmerzen bereitet mir Monsieur Bossi. Die Lega Nord ist eine nationalistisch ausgerichtete Partei mit fremdenfeindlichen Tendenzen", wetterte der Minister. Vor allem aber erzürnt ihn, daß Berlusconi "bei diesen Wahlen auch mit den Überresten des MSI verbündet war, der nun wirklich eine rechtsextremistische Partei ist". Im Gegensatz dazu fällt seine Bewertung der Alleanza Nazionale unter Gianfranco Fini fast schon positiv aus: "Monsieur Fini hat eine Entwicklung durchgemacht. Das sage ich ohne jegliche Sympathie für ihn (...), man muß ihm aber wenigstens zugestehen, daß er im Vergleich zu Jörg Haiders Partei geradezu unbescholten ist."

In der französischen Presse blieben diese Erklärungen bislang weitgehend unbeachtet. Dennoch sollte man sie im Ohr behalten und bedenken, daß Pierre Moscovici enge Verbindungen zu Lionel Jospins "Trotzkistengarde" unterhält. Aus seinen Äußerungen geht eindeutig hervor, welches Ziel die französische Linke verfolgt: Sie will alle Bündnisse liberaler und konservativer Parteien mit radikalen und populistischen Rechtsparteien von vornherein verteufelt wissen. Diese Entkoppelungsstrategie, die in Frankreich so überaus erfolgreich gegen Le Pens Front National eingesetzt wurde, wird nun auf die europäische Ebene ausgeweitet. Österreich war dafür nur der Prüfstand.

Die FPÖ war noch nicht einmal in der Regierungskoalition, da wurden die ersten Chöre linker Denunziationen gegen Jörg Haider laut: ein wahrhaft fantasmagorischer Rausch, der bald die üblichen Gutmenschen angesteckt hatte. Es dauerte nicht lange, bis die Sorge um die demokratische Gesinnung der Österreicher Schlagzeilen in Le Monde, La Libération und Le Figaro machte. Wie nicht anders zu erwarten war, reihte Jacques Chirac sich anstandslos unter Lionel Jospins Truppen ein. Chirac, der Haider noch vor zwei Jahren bei einem Besuch in Wien die Hand gegeben hatte, schüttet dem österreichischen Präsidenten Klestil im Januar sein Herz darüber aus, welch "tiefe Betroffenheit" die sich abzeichnende OVP-FPÖ-Koalition in ihm auslöse. Er verdammte die "extremistische, fremdenfeindliche Ideologie der FPÖ" und maßte sich an, "dem österreichischen Volk klarzumachen", daß "diese Ideologie mit den Grundsätzen unserer Demokratien unvereinbar ist".

Der Rest ist nur allzu bekannt. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte mischte sich die EU in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates ein. Der ehrwürdige Professor und Christdemokrat René Rémond begrüßte diesen Schritt mit den Worten: "Die Europäische Union ist keine bloße Interessengemeinschaft, sondern ein Bündnis des Zusammenlebens, in dem jeder das Recht hat, sich darum zu kümmern, was bei seinem Nachbarn passiert." Nicole Fontaine (UDF), Präsidentin des EU-Parlamentes, griff dieses Credo auf und fügte ihrerseits feierlich hinzu: "Jörg Haiders Partei leistet einer Ideologie Vorschub, die den humanistischen Werten, auf denen jede demokratische Gesellschaftsordnung basiert, genau entgegengesetzt ist." Mit idiotischem Eifer hat das offizielle Frankreich den tschekistischen Befehl befolgt und Österreich mit einem Bannfluch belegt. Französische Künstler wie Catherine Deneuve weigern sich, in Wien aufzutreten – aus Angst, dort Jörg Haider zu begegnen. Philosophen wie der Sartre-Verschnitt Bernard-Henri Lévy unterzeichnen Petitionen: Die Pariser Intelligenzija hat dem "braunen Österreich" vorbehaltlos den Krieg erklärt. Unter dem Eindruck dieser Wahnvorstellungen, die übrigens starke germanophobe Akzente zeitigen, diagnostiziert man die Symptome und bedient sich eindeutig fremdenfeindlicher Urteile, um all jene verächtlich als "Volksstämme" abqualifizierten Bergvölker zu stigmatisieren, die sich der ideologischen Neuordnung Europas sperren: die Schweizer, die Savoyer, die Norditaliener. In Paris wurde sogar die Frage aufgeworfen, ob man die diesjährigen Salzburger Festspiele boykottieren müsse. In Straßburg legte die linke Stadtverwaltung ihren Bürgern nahe, auf Urlaub in Österreich zu verzichten. Wenn man weiß, welch starke historische Bande zwischen Österreich und dem Elsaß bestehen und daß es das beliebteste Reiseziel der Elsässer ist, wird die Absurdität dieser Empfehlung erst richtig deutlich.

Noch perfider sind die Absichten des französischen Außenministers. Im österreichischen Standard drohte Hubert Védrine, die Ausgrenzung Österreichs noch weiter zu treiben: "Es hindert uns nichts daran, bei der nächsten Revision der Verträge eine Klausel einzuführen, die den Austritt oder – unter genau zu definierenden konkreten rechtlichen Bedingungen – den Ausschluß eines Mitglieds vorsieht."

Durchtränkt von einer jakobinischen Tradition, die nun auch in der Einmischung außerhalb der Staatsgrenzen zum Tragen kommt, liebt es das offizielle Frankreich, dem Rest der Welt moralische Lehren zu erteilen. Schließlich ist Frankreich nicht umsonst die "Grande Nation", die "Wiege der Menschenrechte"! Wen kümmert es da schon, daß seiner Regierung inzwischen vier kommunistische Minister angehören, von denen einer, Marie-George Buffet, gar das Portfolio für Jugend und Sport innehat und darüber wachen kann, daß schon die Pfadfinder ideologisch auf Trab gebracht werden. Frankreich befindet sich unter der Herrschaft einer linken Hegemonie, die sich einbildet, sogar das Wetter bestimmen zu können, und erst recht dem Volk vorschreiben will, was gut und was böse ist. Dieses Frankreich ist es, das das Recht der humanitären Intervention erfunden hat. Der geistige Vater dieses seltsamen Fremdkörpers in der politischen Ordnung, Bernard Kouchner, wütet inzwischen im Kosovo. Eingeklemmt zwischen den Washingtoner Planspielen und der unbeweglichen Maschinerie der Vereinten Nationen, muß er dort die schmerzliche Erfahrung machen, wie schnell dieses Recht an seine Grenzen stößt.

Es ist durchaus denkbar, daß sich hinter diesem unverbesserlichen Messianismus noch etwas ganz anderes verbirgt. Schon sind Vermutungen laut geworden, Jospin und seinen Genossen wären erpicht, eine Rechtslage zu schaffen, die es ihnen selbst ermöglicht, vom europäischen Zug abzuspringen. Dafür gäbe es zwei Gründe: Zum einen die hohe Staatsverschuldung, die es Frankreich trotz allen Geredes von "Wachstum" und "Geldreserven" nicht mehr lange erlauben wird, die Kriterien der EU einzuhalten. Zum zweiten ihre Isolation im Herzen eines Europas, in dem allerorts die Rechte wieder an die Macht kommen könnte. Ein Wahlsieg Berlusconis könnte den Vorwand liefern. So verstanden wäre die Deklaration Moscovicis, der immerhin ein enger politischer Vertrauter von Premierminister Lionel Jospin ist, eine Art Versuchsballon. Eins ist jedenfalls sicher: Für die französische Linke ist Europa keine Kulturgemeinschaft, sondern nichts weiter als ein ideologisches Instrument.


 
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