© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/00 19. Mai 2000

 
Jürgen W. Möllemann
Zu allem bereit
von Alexander Schmidt

Jürgen W. Möllemann ist ein Stehaufmännchen, dem die Qualitäten eines Wendehalses nachgesagt werden. Während er von Franz Josef Strauß als "Riesenstaatsmann Mümmelmann" verspottet wurde, ging bei den Liberalen die Angst um, es mit dem waghalsigsten Minister zu tun zu haben, der mit einem großen Hang zum Dauerputsch ausgestattet sei. Seine Oppositionsliebe begann mit seinem Start in der Jungen Union. Im Streit um die Notstandsgesetze verließ er den CDU-Nachwuchs und wechselte als AStA-Vorsitzender in die FDP.

Trotz des Rufes, den politischen Wetterhahn immer im Blick zu haben, schaffte es der Genscher-Schüler zum Bundeswirtschaftsminister, nachdem er als Staatsminister im Auswärtigen Amt und Bundesbildungsminister mediale Spuren hinterließ: Bis er mit Briefpapier des Wirtschaftsministeriums für von Verwandten produzierte Einkaufswagen-Chips warb und so den Platz räumen mußte. Damit wäre eigentlich die Karriere jedes anderen Politikers, am Ende gewesen doch der Münsterländer bleibt bis 1994 FDP-Chef in NRW. Im Bundesvorstand war er von 1981 bis 1997. Nach seinem erzwungenen Rückzug wird er Inhaber einer "Public-Relations"-Agentur. Seit 1993 ist der Hautschullehrer für Deutsch und Sport Inhaber einer Firma für Wirtschafts- und Exportberatung, wo ihm seine Kontakte in den arabischen Raum und seine Präsidentschaft in der Deutsch-Arabischen Gesellschaft helfen. Als Vorsitzender des Arbeitskreises für Außen- und Sicherheitspolitik forderte der Oberleutnant der Fallschirmjäger die FDP auf, sich zur Neutronenwaffe zu bekennen. Das enfant terrible sprach 80 Minuten mit dem damals noch als Terrorist verfehmten PLO-Chef Arafat, weitere Gesprächspartner waren Saddam Hussein oder Fidel Castro. 1988 stellte er die Forderung: Anerkennung des Palästinenserstaates. Trotzdem hielt ihn keiner auf, nach Affären und Abwahlen 1996 erneut Landesvorsitzender an Rhein und Ruhr zu werden. Frisch gewählt entschließt er sich zu seinem nächsten Coup: Eine Reise in den Iran im Jahr 1997. Seine offenkundig nicht vorhandene Anpassung führte auch weiterhin nicht dazu, Einfluß in der Partei zu verlieren. Nicht zuletzt weil Möllemann neben allen politischen Paradestücken als intelligenter Kopf gilt, wie auch sein bunter und erfolgreicher Lebenslauf zeigt.

Jetzt steht die nordrhein-westfälische SPD vor einem Rätsel, welcher Koalitionspartner wohl der bessere und zuverlässigere ist. Denn eins ist sicher: "Mister 10 Prozent" Möllemann hat sich zwar aus dem Schatten Genschers, der den Austritt aus der sozialliberalen Regierung 1982 mittrug, gelöst und seinen Landesverband mittlerweile wieder auf den Links-Kurs eingeschworen. Aber berechenbarer wird er dadurch sicher nicht, sonst würde er seinen Ruf als einer der schillerndsten Politiker in NRW verlieren. Und das hätte Auswirkungen auf seinen Bekanntheitsgrad, den der dreifache Familienvater durchaus für sich zu nutzen weiß.


 
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