© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/00 12. Mai 2000

 
Die Wiederentdeckung der Wildkräuter
Gesundheit: Heilkräuter sind kulinarisch aktuell
Martina Zippe

Während der Standardsalat in Gastwirtschaften zu jeder Jahreszeit aus Tomaten, Gurken und Treibhauskopfsalat besteht, sind alte Wildkräuter mit ihrem Nährstoffreichtum in den letzten Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Wer weiß schon noch, wie Wildkräuterspinat schmeckt? Derzeit erleben diese Delikatessen aber eine Renaissance, wie mehrere Bücher zum Thema zeigen. Sogar die Firma Teekanne bietet inzwischen Beuteltee aus Brennesseln an.

Meist werden die Kräuter aber selbst gesammelt. Grund für das neue Interesse an der Zubereitung alter Heilpflanzen dürfte somit eine Lust am Selbermachen inmitten der üblichen industriellenFertigung sein. Außerdem überzeugen Wildkräuter durch einen oft extrem hohen Vitamingehalt, der den gezüchteter Pflanzen bei weitem übertrifft. So hat zum Beispiel die Brennessel 25mal soviel Vitamin C wie Kopfsalat. Wildkräuter können also unseren Speisezettel durch ihre Fülle an Vitaminen und Mineralstoffen bereichern. Sicher sind viele Zeitgenossen anfangs skeptisch, Pflanzen zu essen, die sie sonst als Unkraut kennen. Aber eine schmackhafte Zubereitung kann auch sie überzeugen.

Eine Kräutersammel-Wanderung ist gerade für Kinder unvergeßlich. Ein Spaziergang wird dadurch für sie abwechslungsreicher, und sie bekommen einen Bezug zur Natur. Aus den beliebten Gänseblümchen lassen sich nicht nur Blütenkränze flechten, sie sind auch eßbar, ebenso wie junge Löwenzahnknospen und weiße und rote Kleeblüten. Aus allen kann ein Salat bereitet werden. Gänseblümchen wurden schon im Mittelalter gegen Gicht, Leberleiden, Asthma, Krämpfe und andere Beschwerden eingesetzt.

Für den "Frühjahrshausputz" des Organismus kann des weiteren die Verwendung des Löwenzahns in Form von Frischsäften und Salat nicht dringend genug empfohlen werden, so Ernst Schneider in "Nutze die Heilkraft unserer Nahrung" im Saatkorn-Verlag, 1992. Der auch "Maisalat" genannte Löwenzahn bewirkt eine Verbesserung der Leber- und Gallenfunktion, die Anregung der Drüsen der Luftwege, so daß der Auswurf von zähem Schleim erleichtert wird, sowie die Anregung der Nieren und Senkung des zu hohen Blutdrucks. Als Salat eignen sich die Blätter, vor allem im Frühling, solange sie noch kleiner sind. Zur Gewöhnung an das würzige Wildkraut kann es auch mit anderem Salat gemischt und eventuell mit Zucker oder Honig verfeinert werden.

Das Frühjahr ist außerdem ideal zum Sammeln junger Brennesselspitzen (hierbei Handschuhe verwenden), die ohne großen Aufwand einen würzigen Spinat ergeben, der gedünstet natürlich nicht mehr brennt. Brennesselfasern wurden vor Einführung der Baumwolle in Europa zu Nessel-Tuch verarbeitet. Hippokrates empfahl sie zur Leib- und Blutreinigung. Die Äbtissin Hildegard von Bingen beschrieb schon im 12. Jahrhundert die heilende Wirkung der Brennessel bei verschiedenen Beschwerden. Sie hilft insbesondere bei Rheuma, Gicht und Bronchialkatarrh sowie bei der Hautverbesserung, so Renate Spannagel in "Heilkraut Brennessel" (Weltbild-Verlag, Augsburg, 1998). Entschlackend unterstützt sie das Abnehmen. Die Samen der Brennessel werden von stillenden Müttern zur Milchbildung als Tee gekocht.

In kaum einer wild wachsenden Pflanze sind so viele wertvolle Stoffe enthalten wie in der Brennessel, so Renate Spannagel. Daher wird sie von der Bestsellerautorin Maria Treben in "Heilkräuter aus dem Garten Gottes"(Heyne-Verlag, München 1992), zusammen mit anderen Heilkräutern auch zur Krebstherapie empfohlen. Ihre Leser berichten von Erfolgen. Zur Zubereitung von Brennesselspinat werden Zwiebeln und Knoblauch in Fett angebraten, die Brennesseln mit oder ohne Stiel hinzugegeben und mit etwas Wasser fünf Minuten im geschlossenenTopf gedünstet. Anschließend werden sie mit Pfeffer, Salz und Zitronensaft gewürzt.

Mit Wildkräutern und Wildfrüchten lassen sich zahlreiche weitere Ideen verwirklichen, zum Beispiel Kräuterliköre, Magenbitter und Blütenbowlen. In "Delikatessen am Wegesrand. Un-Kräuter zum Genießen" (Walter Rau Verlag, Düsseldorf 1997) beschreiben Brigitte Klemme und Dirk Holtermann sehr anschaulich viele Kräuter mit Rezeptvorschlägen.


 
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