© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/00 12. Mai 2000

 
Ich liebe euch alle!
von Jörg Fischer

Am 3. Mai begann das Unheil: Millionen PC-Besitzer mit Internet-Anschluß sichteten im E-Briefkasten die Nachricht "I love you". Da für die "Internet-Gemeinde" Pidgin-Englisch (Für Dich heißt "4U") die Verkehrssprache ist, öffneten unzählige den "Liebesbrief". Der enthaltene PC-Virus wurde dadurch aktiviert und wütete nicht nur auf dem Rechner des Empfängers, sondern der Virus verschickte sich selbsttätig an andere bekannte Adressen. So breitete sich der Bösewicht rasant aus, drang in Firmennetze ein und richtete Milliardenschäden an: die Windows-Welt, und nur die, stand still.

Doch bald hatten findige Virenjäger das Problem im Griff – und eine Menge Geld verdient. Ob letztlich ein deutscher Austauschstudent in Australien oder ein frustriertes Ehepaar auf den Philippinen der Urheber war, ist gleichgültig, denn die Virenangst hilft anderen: Multimilliardär Bill Gates will sein wankendes Imperium jetzt mit dem Argument retten, nur Quasimonopole wie sein Windows oder Office wären kurzfristig mit Abwehrprogrammen zu schützen – bei Zersplitterung der Branche sei das unmöglich. Innenminister Schily beauftragt das BKA mit Ermittlungen und kann so mangelnde Aktivitäten andernorts kaschieren. Die US-Justizministerin Janet Reno forderte "einheitliche Gesetze" – weltweit und natürlich unter US-Kontrolle! Der nächste Virus kommt spätestens zum Muttertag: "Mother‘s Day" soll noch gefährlicher sein. Die Virenjäger und Programmierer frohlocken: Des einen Not ist des anderen Brot.


 
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