© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/00 05. Mai 2000

 
Pankraz,
Donald Duck und die Sprechblasen in der FAZ

Die vom Spiegel enthüllte Unterwanderung des FAZ-Feuilletons durch Donald Duck wirft Fragen auf, die jeden Medienteilnehmer beschäftigen. Einige FAZ-Redakteure, so wurde von dem Magazin dokumentiert, verwenden für ihre Artikelüberschriften und Bildlegenden seit Jahren Sprechblasen aus den Walt-Disney-Heften mit Donald Duck aus Entenhausen und seinen Kumpanen, und kein Leser hat bisher daran Anstoß genommen. Wie war so etwas möglich?

Manche Leser wunderten sich zwar hin und wieder über merkwürdige Differenzen zwischen Artikelinhalt und Artikelüberschrift, hielten das aber für eine besonders avancierte Verfremdungs-Masche, mit der die Redaktion "Stil" beweisen und die Attraktivität ihres Produkts erhöhen wollte. Doch nun kommt heraus, daß es gar nicht um das Produkt selbst ging, daß die Überschriften-Verfasser das FAZ-Produkt vielmehr dazu benutzten, um geheime Botschaften mit anderen Donald-Duck-Fans auszutauschen, dem "Donaldismus" optimale Reichweite zu verschaffen und ihn im elaborierten Diskurs der Nation dauerhaft zu verankern. Das war kühn, und das war originell.

Eine Art Geheimgesellschaft steht hinter dem Unternehmen: die "Deutsche Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus (D.O.N.A.L.D.)". Sie organisiert und koordiniert diverse Aktivitäten, und ihr größter Erfolg war bisher eben die Enterung und Instrumentalisierung des FAZ-Feuilletons. Mit diesem Coup gelang es D.O.N.A.L.D., Maßstäbe zu setzen und der Schraube der modernen Spaßgesellschaft einen weiteren Dreh nach oben zu geben.

Ein ernstes Wirtschaftsunternehmen, ein rentabler Informationsträger erster Ordnung wurde gewissermaßen mit einem nichtkommerziellen Spaßschatten versehen, den freilich nur wenige Eingeweihte wahrnehmen konnten. Der durchschnittliche, biedere Info-Bürger las brav die (oft recht zäh und umständlich geschriebenen) Berichte etwa über eine neue Czardasfürstin am Stadttheater Oldenburg oder über die Restaurierung einer Dorfkirche in Markranstädt – aber der wahrhaft Wissende, der eingetragene Donaldist, erkannte mit Genuß, daß solche Hausmannskost letztlich nur dazu da war, einen ätherischen Palimpsest zu transportieren, eine Botschaft für echte Genießer und Mediengourmets. So etwas macht nicht nur Spaß, es verleiht dem Spaß zusätzlich noch die Weihen des Exquisiten und Elitären und dem Spaßhaber die Wonnen der Zugehörigkeit.

Ob die FAZ-Verantwortlichen die Wonnen teilen, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Beim Spaßhaben gibt es bekanntlich immer einen, auf dessen Kosten das Vergnügen stattfindet, und es sieht ganz so aus, als sei dieser eine hier die FAZ. Sie findet sich in der Lage eines Karpfens, der von Parasiten befallen ist. Die Parasiten werden immer runder und fröhlicher, während der Karpfen unter Entzugserscheinungen zu leiden anfängt. Es geht Qualität verloren, die "äußeren" Dinge werden nicht mehr so akkurat erledigt wie in früheren Zeiten.

Immer häufiger kommt es zu jenen "Pannen", die in den Redaktionen so gefürchtet sind. Da wird zum Beispiel die Wikingerstadt Haidhabu in Schlesien angesiedelt, oder als Illustration zu einem Bericht über ein historisches Kloster in der Schweiz erscheint ein Riesenfoto des ehemaligen Bayerischen Bahnhofs in Leipzig. Ein Hang zum sogenannten Zeilenschinden reißt ein. Glossen, die an sich pointiert sein sollten, werden mit allerallgemeinsten, weitest hergeholten Betrachtungen eröffnet, und bevor man zur Sache selbst kommt, ist der Text schon wieder beendet.

Vor allem aber waltet in den Texten eine geistige Wurstigkeit, die wehtut und verdrießlich stimmt. Statt daß die Autoren eigene, charaktervolle Ansichten und Meinungen artikulieren, wird einfach die gerade gängige "Meinung" des Marktes hingeschrieben, wird dem Zeitgeist und dem Vorurteil von gestern gehuldigt. Weshalb sollte man denn auch charaktervolle Texte verfassen? Die "eigentliche" Botschaft ist ja schon in der Überschrift oder in der Bildlegende untergebracht, und die stammt nicht vom Schreiber, sondern von Donald Duck, dem einzigen charaktervollen Meinungsträger, der noch übriggeblieben ist.

Pankraz möchte gar nichts gegen Donald Duck sagen. Im Kontext der sich immer mehr ausbreitenden "Trash & Proll"-Kultur, wo Four-Letter-Wörter als Offenbarung gehandelt werden, können Sprechblasen von Donald durchaus alternativen Charme entfalten, zumal wenn sie als geheime Botschaften vertrieben werden, die Sehnsucht nach Elitebewußtsein spürbar werden lassen. Lieber mit Donald und seinen Neffen in Entenhausen als mit Zlatko und Jürgen im Container von "Big Brother".

Allerdings hält Pankraz die Sprechblasen aus kontinentaleuropäischen Bildergeschichten, beispielsweise aus "Asterix & Obelix", für in der Regel geisteshaltiger und witziger als die angelsächsischen, besonders wenn es darum geht, neuzeit-liche, trashprollige Verachtung für Differenz und Niveau auszudrücken. Man denke etwa an den Einfall der mörderischen Normannen in Gallien zum Zwecke der Furchterlernung!

Der Normannen-Häuptling erteilt da den Befehl an seine Mannen, einen Gallier als Studienobjekt zu fangen, aber – fügt er hinzu – "lebendig, Männer, lebendig und nicht tot will ich den haben". Als Antwort dann die unwillige Kollektiv-Sprechblase aus den Reihen der Mannen: "Immer diese feinen Unterschiede!"

An solches Niveau reicht nur noch der (nun freilich angelsächsische) "Hägar der Schreckliche" heran, ebenfalls ein Wikinger, dessen Mannen in der Kneipe eine riesige Kollektiv-Sprechblase vollsingen: "Trink, trink, trink, trink, trink, trink" usw. usw. Einer singt nicht mit und wird vom Häuptling per Sprechblase grob angeraunzt: "Warum singst du nicht?" Antwort in finaler Sprechblase: "Ich habe den Text vergessen."


 
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