© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/00 05. Mai 2000

 
Wärme aus der Erde
Klimaschutz: Vulkanische Regionen als Energielieferant
Volker Kempf

Aktive Vulkane wie der Ätna in Italien oder jüngst wieder der Mayon auf den Philippinen beeindrucken mit ihren Lavamassen, ihrem verdampfenden Wasser sowie kilometerhoch emporschnellenden Gesteinsbrocken. Der Mensch vermag diese gigantischen Kräfte nicht zu bändigen, sehr wohl aber zu nutzen.

Bei der Nutzung der Erdwärme ist das 277.000 Einwohner zählende Island das beste Beispiel. Die vulkanische Insel gewinnt 85 Prozent der für Wohnungen benötigten Wärme aus der Erde. Zusammen mit der Nutzung der Wasserkraft verfügt Island über mehr Strom, als Bedarf vorhanden ist. Drei sogenannte geothermische Anlagen sind vorhanden und liefern zusammen 41 Megawatt Energie. Eine der Anlagen hat neun Vulkanausbrüche und unzählige Erdbeben in nächster Nähe überstanden. Auch technische Probleme der Korrosion durch die chemische Zusammensetzung der vulkanischen Gase wurden gelöst.

In Deutschland bieten sich die Gesteinsschichten am Kaiserstuhl oder in der West- und Osteifel zur Nutzung der Erdwärme an. Dort gibt es daher auch zahlreiche Thermalbäder. Die breite Anwendung der geothermischen Energie ist also nicht nur auf regionale Sonderfälle wie Island beschränkt. Allein in Deutschland werden schon jetzt 18.000 sogenannte Erdwärmesonden zur Bereitstellung von Warmwasser und dem Betrieb von Heizungen eingesetzt. Doch liefern diese Quellen gegenwärtig nicht einmal ein Prozent des Wärmebedarfs in Deutschland. Dabei könnte hierzulande rein technisch mehr als ein Drittel des Wärmebedarfs aus geothermischer Energie gedeckt werden.

Schon heute ist Energie aus dem Erdinnern trotz aufwendiger Bohrungen in vielen Regionen Deutschlands weit günstiger als etwa Solarstrom oder Windenergie. Hier schlummert also ein weitgehend ungenutztes umweltfreundliches und landschaftsschonendes Energiepotential, das zudem witterungsunabhängig genutzt werden kann. Nur mit Unverständnis kann man daher zur Kenntnis nehmen, daß für die Lieferung von Erdwärme nur 17,5 Pfennig pro Kilowattstunde bezahlt wird, für die gleiche Menge Solarstrom aber laut gesetzlicher Regelung garantiert 99 Pfennig. Dies ist eine energiepolitisch kaum nachzuvollziehende Weichenstellung in der Förderung alternativer Energien. So wird das Klimaziel von 25 Prozent weniger Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid in Deutschland bis 2020 gegenüber 1990 sicher verfehlt.

Es ist also höchste Zeit, hierzulande der Nutzung der Geotherme und der vernachlässigten vulkanologischen Forschung einen ungleich höheren Stellenwert zukommen zu lassen, als dies bislang der Fall ist.


 
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