© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/00 05. Mai 2000

 
Der Süden Afrikas brennt
In Simbabwe eskaliert nach 20 Jahren Selbständigkeit die Gewalt gegen Weiße
Claus Nordbruch

In jüngster Zeit ist bei Regimekritikern in Simbabwe, dem einstigen Rhodesien, ein T-Hemd mit folgendem Aufdruck überaus beliebt: Auf der Brustseite steht lediglich der Name des Diktators: Rob Mugabe, auf der Rückseite: before he robs you!. Damit ist die politische und wirtschaftliche Situation bereits beschrieben: eskalierende Unzufriedenheit aufgrund steter Korruption, unaufhaltsamer Mißwirtschaft und einsetzender Anarchie. Die jüngsten Ereignisse deuten darauf hin, daß ein bewaffneter Konflikt in dem südostafrikanischen Staat nicht mehr zu verhindern ist. Wie konnte es nach 20 Jahren des Dahinsiechens zu der plötzlichen gewalttätigen Eskalation kommen?

Mitte Februar ging ein Referendum, in dem der marxistische Diktator Robert Mugabe eine Verfassungsänderung legal durchzusetzen gedachte, verloren. Die erst vergangenes Jahr gegründete oppositionelle Bewegung für den Demokratischen Wechsel erhält zum Schrecken der Kommunisten seit Monaten unaufhaltsamen Zulauf, die vor allem von weißen Farmern, deren schwarzen Beschäftigten und der Mehrheit des Matabele-Volkes unterstützt wird. Mugabes Politkommissaren fiel es nicht schwer, diese bedrohlichen Gewitterwolken am politischen Himmel zu deuten. "Ihr werdet um Euren Sieg betrogen!" – mit solchen Propagandasprüchen wurden die Massen aufgehetzt und "Kriegsveteranen" (gemeint sind ehemalige Terroristen, die sich während der sechziger und siebziger Jahre vor allem durch Bombenanschläge profilierten) zu "Aktionen" aufgerufen. Diese wurden Anfang März eingeläutet, als Tausende "Veteranen" begannen, Ländereien von weißen Farmern zu besetzen: Es gelte, das Land nach 20 Jahren "Sieg über den Imperialismus und Kolonialismus" endlich der "arbeitenden und besitzlosen Klasse" zu übergeben.

Diese Rechtfertigung entpuppt sich jedoch als übler Vorwand eines bankrotten Regimes: Unmittelbar nach dem Fall Rhodesiens konfiszierten die kommunistischen Machthaber Hunderte von Farmen – und verteilten diese lustig unter den Genossen. Ginge es in Simbabwe tatsächlich um eine Bodenknappheit, warum stellt dann der Staat nicht einen Teil der Millionen Hektar von Staatsgrund zur Verfügung? Weiterhin liegen in Simbabwe Hunderte von Farmen seit rund 20 Jahren verlassen und brach dar.

Mit Stöcken, Keulen, Messern, Speeren und seit neuestem auch mit AK47 Sturmgewehren bewaffnet, stürmen Horden von Marodeuren auf die Güter. Sie plündern die Felder und Plantagen, rauben aus den Scheunen, was nicht niet- und nagelfest ist, schlachten Vieh und Geflügel und dringen in die Häuser ein. Diese "Veteranen" kommen in Scharen. Den von den Farmern herbeigerufenen Ordnungskräften entgegnen sie, daß sie selbst das Gesetz seien und keine Instruktionen der Polizei anerkennen würden. Mehr noch: Der Sprecher der "Veteranen", Kedmond Dube-Ntsiane, drohte der simbabwischen Tageszeitung Daily News zufolge, daß die Besetzer mit Waffengewalt gegen die Polizei vorgingen und "zurückschlügen", sollte sie den Versuch unternehmen, die Besetzer von den Farmen zu vertreiben. Die Ordnungskräfte sind bislang noch nicht eingeschritten. Kein Wunder. Hatte doch Mugabe bereits Anfang März die Order erlassen, daß die Farmbesetzer (squatters) nicht von den Farmen entfernt werden würden.

Seit vier Wochen wächst die Zahl der Bombenopfer und Ermordeten. Ein typisches Beispiel: Am 15. April überfielen Banden im Macheke-Bezirk, etwa 120 Kilometer östlich von Harare, dem ehemaligen Salisbury, den Besitz des Farmers David Stevens. Fünf andere Farmer, die Stevens zu Hilfe eilten, wurden angeschossen. Stevens wurde mit je einem Schuß zwischen die Augen und in den Rücken "liquidiert", die anderen, verletzten Männer barbarisch gequält: Mit Eisenstangen, Steinen und Gürteln wurden sie die ganze Nacht lang geschlagen, bis sie am nächsten Morgen endlich ins Krankenhaus von Marondera gebracht wurden. Die Reaktion Mugabes spricht Bände: Er verteidigte am 16. April die gewalttätigen Maßnahmen, die die Squatter ergriffen haben, mit den Worten, sie seien "Helden im Kampf gegen die ungerechte Landverteilung". Nach den Aussagen von Zeugen hatten die feigen Angreifer während ihres Überfalls nicht ein einziges Mal den Grundbesitz oder die Farmbesetzungen als Motiv erwähnt. Als Beweggrund für ihre Tat gaben sie an, daß die Zusammengeschlagenen nicht Präsident Mugabe und seine Partei unterstützten. Nach einer Pressemitteilung von Sapa und Associated Press würden die Angreifer von der Regierungspartei ZANU (PF) oft angeheuert und bezahlt. Unterdessen bleibt Diktator Mugabe bei seiner fragwürdigen Version, daß es sich bei den Farmbesetzungen und Ausschreitungen "um einen gerechtfertigten Protest gegen die ungerechte Bodenverteilung im Lande handelt." Mehr noch: Anfang April verkündete der Diktator, daß er sämtliche weiße Farmen ohne Entschädigung enteignen werde. Vor zwei Wochen erklärte er die weißen Farmer öffentlich zu Staatsfeinden!

Trotz allem wird es in Simbabwe nicht zu einer Neuauflage des Krieges der sechziger und siebziger Jahre kommen. Von den ursprünglich rund 280.000 Weißen haben 1979/80, also nach der "Befreiung", etwa 80 Prozent das Land verlassen. Diejenigen, die vor 20 Jahren im Lande blieben, waren meist solche mit liberaler Gesinnung. Sie akzeptierten oder unterstützten gar die neuen Machthaber. Sie werden mit Sicherheit nicht mit Waffengewalt gegen die "Veteranen" vorgehen. Im Gegenteil: In langen Reihen stehen sie längst desillusioniert vor der britischen Botschaft und den Konsulaten und setzen alles daran, einen britischen Paß zu bekommen und das Land zu verlassen. Der bevorstehende Bürgerkrieg wird diesmal zwischen schwarz und schwarz ausgetragen, zwischen Regimegegnern und Kommunisten.

Die Frage, die zur Zeit die Menschen im südlichen Afrika am meisten beschäftigt, ist folglich, ob die simbabwischen Verhältnisse auf die Nachbarstaaten überschwappen können. Rapport, der größten afrikaansen Wochenendzeitung, zufolge, sind Mitte April die ersten Drohungen gegenüber südafrikanischen Farmern gefallen. Im Ost-Transvaal (Mpumalanga) wurden in vielen Ortschaften Plakate an Wänden und Strommaste entdeckt, die ankündigen: "Was in Simbabwe geschieht, wird auch in Mpumalanga geschehen!" Der ANC warnt zur Zeit noch vor Gewalttaten – aber es gibt in Südafrika wohl niemanden, der ernsthaft glaubt, die aus Gewerkschaftlern, Kommunisten und ANC zusammengesetzte Regierung in Pretoria würde gegen ihre eigenen Wähler vorgehen. Die weiteren Geschehnisse in Simbabwe werden so oder so das gesamte südliche Afrika beeinflussen und neue Verhältnisse schaffen.

 

Claus Nordbruch ist Publizist und Vortragsreisender. Er lebt als Farmer in Pretoria.


 
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