© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/00 28. April 2000

 
WIRTSCHAFT
Zwei Schritte vor – einer zurück
Bernd-Thomas Ramb

Eigentlich dachten die Deutschen nach der letzten Bundestagswahl, Rot-Grün würde mit den Atomkraftwerken kurzen Prozeß machen. Wer allerdings dahinter neu gewonnene Einsichten vermutet, überschätzt die Bereitschaft der Politiker, wieder nach perspektivischen Kriterien zu urteilen. Nach wie vor bestimmen kurze Fristen das Denken und Handeln.

Die Zerstrittenheit und die daraus resultierende gegenseitige Blockade ist gerade in der AKW-Frage vielfältig. Der Dissens zieht sich zunächst durch das Regierungslager. Rot und Grün bestimmen ampelgleich das stop and go der atomaren Ausstiegspolitik. Die SPD, allen voran der Kanzler, bildet dabei – wie in vielen anderen Wirtschaftsfragen – immer unverhohlener die Lobby der Energiewirtschaft. Fast scheint es, als habe sich die deutsche Wirtschaft mit ihrer Unterstützung des letzten Regierungswechsels die Hörigkeit in Wirtschaftsanliegen erkauft. Andererseits steigt bei den Grünen der politische Wasserstand zunehmend über die Kante der Oberlippe. Der Termin des kommenden Parteitags naht ebenso schnell, wie die Mitglieder abnehmen. Das ist ein spektakulärer Erfolg mehr als notwendig, um die politischen Pfründe zu retten. Der sozialdemokratische Prellbock zwischen Atomwirtschaft und linksradikalen Trittin-Grünen gerät zunehmend unter Druck – für die spendenskandalgeschädigte CDU ein gefundenes Fressen. Die schwarzregierten Südländer pochen nun laut auf ihr Mitspracherecht bei der "Konsensbildung". Im Schielen auf den kurzfristigen politischen Ertrag verzichten sie jedoch auf die Forderung eines konsequenten Umdenkens in der Atompolitik. So erreichen sie im Konsens nur Nonsens.


 
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