© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/00 28. April 2000

 
Kein Herz für Haie und Krokodile
Artenschutz: Die CITES-Konferenz in Nairobi ging mit zwiespältigen Ergebnissen zu Ende
Volker Kempf

Die großen Verlierer der elften Vertragsstaatenkonferenz zum Artenschutz (CITES), die am 20. April in Nairobi zu Ende ging, heißen Walhai, Weißer Hai und Riesenhai. Diese Tiere sind durch Überfischung und Nutzung im Rahmen der traditionellen chinesischen Medizin in ihrem Bestand extrem gefährdet. Ein Riesenhai etwa braucht 20 Jahre bis zur Geschlechtsreife und bringt seine Jungtiere erst nach drei Jahren Tragezeit zur Welt. Bis zu 10.000 US-Dollar werden in China für ein Paar Flossen des seltenen Riesenhais bezahlt.

Verspielt wurde auch der Schutz der Nilkrokodile. Der Sprecher der Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA), Günther Peter, macht hierfür die Stimmungsmache über die Gefährlichkeit der Alligatoren gegenüber den Menschen verantwortlich, von der sich offenkundig auch die Staaten der Europäischen Union beeindrucken ließen. Eine solche Diskussionsebene sei einer Welt-Konferenz nicht würdig gewesen, urteilte AGA-Konferenzbeobachter Edmund Haferbeck.

Bei der Regulierung der Hochseefischerei wurden ebenfalls keine Fortschritte erzielt. Der Handel mit Meeresfischen aus bedrohten Beständen kann auch künftig durch die Vertragsstaaten nicht besser kontrolliert werden. Dies erschwert unter anderem den Schutz von Thunfischen und Schwertfischen. Der Leiter des Artenschutzprogramms beim World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland, Roland Melisch, bezeichnet dies als besonders tragisch, da Fische und Meeresprodukte den Löwenanteil am internationalen Handel mit wildlebenden Arten ausmachen würden. Verantwortlich für die Misere macht der WWF-Vertreter die Blockadehaltung der Fischereinationen, vornean Japan, Island und Norwegen. Der eigens nach Nairobi eingereiste Sprecher der Aktionsgemeinschaft Artenschutz, Günther Peter, bemängelte, daß bei der Lobbyarbeit Technokraten das Abstimmungsverhalten der Delegierten bestimmt hätten. Entscheidungen seien auf das Aushandeln von gegenseitigem Stimmverhalten bei den verschiedenen antragstellenden Ländern und auf Scheckbuchdiplomatie herabgestuft worden. Der Grundsatz des Washingtoner Artenschutzabkommens sei darüber völlig vergessen worden, nämlich den weltweiten Schutz der natürlichen Flora und Fauna zu gewährleisten.

Japan und Norwegen scheiterten mit ihren Anträgen zur Freigabe des Handels mit Grauwalen und bestimmten Minkwal-Beständen im zuständigen CITES-Fachausschuß. Mit 53 zu 113 Stimmen unterlag Norwegen am letzten Tag der CITES-Konferenz dann auch mit seinem Antrag auf Ausfuhr getöteter Minkwale nach Japan. Die Handelserlaubnis hätte für die Walfangnationen den ersten Schritt zur Wiederaufnahme der kommerziellen Jagd auf Großwale bedeutet, die seit 1986 weltweit verboten ist.

Der Elfenbeinhandel wurde von den Vertragsstaaten verboten. Die Afrikanischen Elefanten sind aber nicht wieder in die Gruppe der streng geschützten Tiere aufgenommen worden. Greenpeace übte vor diesem Hintergrund Kritik an der uneinheitlichen Meinung der Europäischen Union. Die deutsche Regierung hatte sich für die höchste Schutzstufe ausgesprochen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Der Elefantenbestand ist von 1971 bis 1989 von zwei Millionen Tieren auf unter 600.000 gesunken. Seit 1997 sinkt der Bestand durch Wilderei abermals. Hier sei nach der Konferenz in Nairobi keine Trendwende zu erwarten, da die Einhaltung der Nullquote beim Elfenbeinhandel nicht hinreichend kontolliert werden könne. Als vorbildlich bezeichnete Greenpeace das Gastgeberland Kenia, das seine Wildnis zu touristischen Zwecken nutze und die Elefanten schone.

Zu den Gewinnern der CITES-Konferenz gehören die Meeresschildkröten, fallen sie schließlich weiterhin unter die höchste Schutzbestimmung. Die CITES-Mitgliedsländer lehnten den Antrag Kubas ab, Panzer der Echten Karettschildkröte nach Japan exportieren zu dürfen. Die Schutzwürdigkeit von Moschustieren, Tibetantilopen und Quastenflosser wurde ebenfalls fixiert. Auch beim Schutz von Pflanzenarten konnten Erfolge erzielt werden. Der Chef der UN-Umweltbehörde (Unep), Klaus Töpfer, wertete die zehn Tage dauernde Konferenz daher auch als großen Erfolg. Nicht ganz so positiv fällt das Urteil von Greenpeace-Deutschland aus, das immerhin aber von einer "eher positiven Bilanz" spricht. Ähnlich äußerte sich auch der WWF. Der Naturschutzbund (NABU) hingegen tendiert mehr zu einer "kritischen Bilanz".

Das Artenschutz-Übereinkommen regelt vor allem wirtschaftspolitisch den Handel mit Pflanzen und Tieren sowie ihren Bestandteilen und Produkten, aber nicht, wie und unter welchen Bedingungen Arten in welchem Land leben. Der WWF fordert daher über die engen Handelsbestimmungen hinaus, bei denen es um die Tiere an sich gar nicht geht, den Schutz von Lebensräumen wildlebender Tiere voranzubringen. Hierzu hat die Naturschutzorganisation das Programm "Global 2000" ins Leben gerufen, mit dem weltweit wichtige Lebensräume erhalten werden sollen.

Um an die zentrale Ursache der Natur- und Artenzerstörung heranzukommen, müßte allerdings das Problem der wachsenden Erdbevölkerung auf die Tagesordnung gesetzt werden. Bei den UN-Konferenzen für Umwelt und Entwicklung, die in den 90er Jahren in Rio de Janeiro, Kyoto und Berlin abgehalten wurden, fand diese Thematisierung immerhin am Rande statt, wenngleich die praktischen Ergebnisse nur spärlich ausfielen. So aber verstrickte sich die CITES-Konferenz in einer reinen, teilweise aber durchaus erfolgreichen Symptombekämpfung.


 
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