© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/00 28. April 2000

 
"Solidarisch sein mit der JF"
Alexander von Stahl kritisiert Praxis des Verfassungsschutzes
Alexander von Stahl

Helmut Schmidt und Valéry Giscard-d’Estaing sehen es mit als wesentliche Aufgabe eines starken Europas an, die Bevölkerungsexplosion in der Welt zu dämpfen. Peter Scholl-Latour wirft den heute regierenden 68ern vor, sich als Erfüllungsgehilfen der damals (Vietnam) verpönten Yankees im Kosovo-Konflikt als Apologeten eines absurden "humanitären Krieges" hervorgetan zu haben. So zu lesen in der österlichen Welt am Sonntag.

Wenn zwei dasselbe schreiben, ist es noch lange nicht dasselbe.

Just wegen dieser Auffassung und des Umstandes, daß sie sich an der Kampagne der hessischen CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft beteiligte, ist die JUNGE FREIHEIT erneut vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz auf den Index seines Jahresberichtes 1999 gesetzt worden.

In einem Streitgespräch mit Luc Pauwels verstieg sich Alain de Benoist zu der Behauptung, er würde jederzeit ein nationalkommunistisches System einem westlich-liberal geprägten System vorziehen. Die auf de Fuße folgenden Worte von Pauwels "Du spinnst" unterschlug der NRW-Verfassungsschutz in seiner Darstellung ebenso wie die distanzierende Überschrift der JF: "Du würdest Dich im Gefängnis wiederfinden". Und so geht die Manipulation weiter: In der JF-Ausgabe 21/99 wird nicht, wie der Bericht behauptet, einer Elitenherrschaft statt parlamentarischer Demokratie, sondern einer Elitebildung als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie das Wort geredet.

Gefährlich für unsere Verfassung ist nach Auffassung der NRW-Schlapphüte die Zielsetzung der JUNGEN FREIHEIT vom Prinzip her. Sie will nämlich, so haben die Verfassungsschützer analysiert, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne beeinflussen und die JF ist auf diese Idee (auf die ja sonst kein Journalist kommen würde) durch den italienischen Marxisten Antonio Gramsci gebracht worden. Die Extreme berühren sich also, wie es das Lehrbuch "Das kleine 1x1 des Verfassungsschutzes" verlangt. Perfide und hinterhältig geht die JF dabei nach Auffassung des NRW-Verfassungsschutzes ans Werk, denn: sie hat im Jahre 1999 sich "verstärkt um Interview-Partner bemüht, die dem demokratischen Spektrum angehören", womit sogleich die Aussage getroffen ist, daß es sich bei den Redakteuren der JF selbstverständlich nicht um Demokraten handeln kann.

So wie es im Falle Österreich um die Achtung der Souveränität geht und die Einhaltung der europäischen Verträge, so geht es bei der Auseinandersetzung zwischen der JF und den kleinen Metternichs aus NRW um die Meinungs- und Pressefreiheit, die es als Urrecht aller demokratischen Freiheiten gegen die politisch Korrekten zu verteidigen gilt.

Gerade in diesem unserem Lande müssen wir als Betroffene im Hinblick auf unsere jüngste Vergangenheit den Anfängen wehren.

Tun wir es und seien wir mit der JF im Kampf um die Meinungs- und Pressefreiheit solidarisch.

 

Alexander von Stahl war von 1990 bis 1993 Generalbundesanwalt..


 
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