© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/00 28. April 2000


Strippen ziehen
von Werner H. Krause

Im Abgesang zur CDU-Spendenaffäre haben sich allerlei Stimmen zu einem Chorus vereint, welcher für die Gauck-Behörde die Götterdämmerung herbeiwünscht. Es geht längst nicht mehr darum, ob die Abhörbänder der Stasi zur Wahrheitsfindung herangezogen werden sollen oder ob dies einen schweren moralischen Verstoß darstelle. So mancher hält den Zeitpunkt für gekommen, das Stasi-Unterlagengesetz zu Fall zu bringen. Einige wollen es bereits gänzlich weghaben, sprechen von der Gefahr des Mißbrauchs. Andere möchten das Gesetz so weit verändern, daß davon nur ein Torso bleibt. Auch einer, der lange keinen Laut von sich gegeben hat, kläfft jetzt wie ein Hofhund, der Herrchen beweisen will, daß er noch des Knochens wert ist.

Peter-Michael Diestel, letzter Innenminister der DDR, hat gleich ganz scharfe Munition in den Vorderlader geschoben. Er zielt direkt auf Gauck und möchte ihm den Fangschuß geben: Dieser sei selbst für die Stasi tätig gewesen! Als Beweis dient ihm ein Dossier des Hauptmann Terpe, der heute dem sogenannten "Insiderkomitee" der Stasi angehört. Doch dem Dossier läßt sich nichts anderes entnehmen, als daß Gauck den ungewollten Besuch dieses Offiziers erhalten hat und mit ihm ein unvermeidliches Gespräch führte.

Daß Diestel gerade jetzt eine Schublade öffnet, in der schon früher nur Klägliches zu finden war, scheint indessen nicht zufällig. Die Stasi zieht noch immer aus dem Hintergrund die Fäden. An einem davon hängt offensichtlich Diestel als Puppe.


 
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