© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Der Schwan wird 50
Rußland: Ex-General Lebed steht jetzt im zweiten Glied
Marco Serbanescu

Alexander Iwanowitsch Lebed wird 50. Der heutige Gouverneur von Krasnojarsk, war einst die große Hoffnung für Rußland; heute ist er, der sich nicht als Demokrat im westlichen Sinne bezeichnet, in Rußland weit weniger populär als im Westen. Er trat bei den letzten Präsidentschaftswahlen nicht gar nicht mehr an, obwohl er 1996 gegen Jelzin 15 Prozent der Stimmen erhielt. Lebed, Fallschirmspringer und Afghanistan-Held, wurde in der Donkossakenstadt Nowotscherkask geboren und beendete mit 46 Jahren seine Militärlaufbahn als General, um als Politiker in Rußland Ordnung zu schaffen.

Ganz gelungen ist ihm das freilich nicht, wenngleich er Rußland zweifelsohne einige wertvolle Dienste leistete und der Kreml gut daran getan hätte, öfter den Worten dieses Mannes mit dem Bulldoggengesicht Beachtung zu schenken. Während des Putsches gegen Gorbatschow im August 1991 entschied er sich: Er stellte sich auf die Seite des Volkes und schützte den Regierungspalast in Moskau. Im Jahr darauf, als Oberbefehlshaber der 14. Armee in Moldawien, stoppte er dort die Kämpfe in der Dnjestr-Region; seine Forderung nach einer Neuordnung der desolaten russischen Armee, seine Kritik am korrupten Verteidigungsminister Gratschow endete damit, daß seine 14. Armee verkleinert und dem General schließlich der Abschied nahegelegt wurde. Das tat er auch, jedoch nicht, um zurückzustecken, sondern um nun erst recht aktiv zu werden. Er warnte vor der anfänglichen naiven Westorientierung Jelzins und kritisierte die Nato-Osterweiterung. Als einer der wenigen in Rußland sprach er sich 1994 gegen den Einmarsch russischer Truppen in Tschetschenien aus.

Auf die Frage, ob er selbst als General denn dort kämpfen würde, antwortete er: "Ja, wenn der Befehl kommt, muß ich. Aber am liebsten würde ich dann eine Armee befehligen, die aus den Söhnen all unserer Politiker, Duma-Abgeordneten und Geschäftemachern besteht, die diesen Krieg angezettelt haben." Als Sicherheitsberater Jelzins setzte er sich unermüdlich und gegen alle Widerstände des Kremls für eine Beendigung des Krieges ein, und als er dies erreicht hatte, wurde er von Jelzin, sicherlich nicht ohne Mitwirken anderer Kräfte im Hintergrund, prompt aus dem Amt entlassen. Als Gouverneur von Krasnojarsk sagte er im Gegenzug gleich der Kriminalität, Korruption, ja, dem Kreml selbst den Kampf an und verweigerte Sonderzügen mit Atommüll, die man von der Ukraine zur Endlagerung nach Krasnojarsk geschickt hatte, die Aufnahme – seitdem ist die Kluft zwischen ihm und dem Kreml unuübersehbar und scheinbar unüberwindbar. Er selbst will sie auch gar nicht überwinden.

Daß er den neueren Krieg in Tschetschenien, der eigentlich nur eine Fortsetzung des ersten ist, ablehnt und für falsch hält, verschwieg er nie, wenngleich mit Putins Auftauchen deutlich wurde, daß ihm hier jemand gegenübersteht, der vielleicht doch noch in der Lage ist, Rußland vor dem Untergang zu retten. Einst hatte er, der Bewunderer de Gaulles, das selbst tun wollen.


 
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