© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Rüpelhaft
EU: Javier Solana poltert gegen Haider
Carl Gustaf Ströhm

Wenn es in früheren, nicht globalisierten und nicht integrierten Zeiten üblich war, in der Diplomatie Höflichkeit walten zu lassen, dann hat der Spanier Javier Solana, der uns als Chef der integrierten gemeinsamen EU-Außenpolitik präsentiert wird, ein großes Verdienst: Er hat Rüpelhaftigkeit und schlechtes Benehmen innerhalb der Brüsseler Union sanktioniert und praktiziert.

So erklärte Solana - nicht als Privatperson, sondern als Eu-Beauftragter - den Kärntner Landeshauptmann und FPÖ-Politiker Jörg Haider für "dumm", weil dieser es gewagt hatte, den französischen Präsidenten Chirac zu kritisieren, nachdem letzterer wiederum Österreich in ziemlich grober Weise angegangen war. So weit - so gut, oder: so schlecht. Denn wer seinen Verhandlungspartner oder Gegner für "dumm" erklärt, beendet damit die Diskussion, bevor sie begonnen hat. Wer aber gibt einem hohen Funktionsträger einer internationalen, übernationalen Institution das Recht, solche Qualifikationen gegenüber einem gleichfalls hohen Funktionsträger eines Mitgliedslandes vorzunehmen? Schließlich ist Haider frei gewählter, demokratischer legitimierter Regierungschef eines österreichischen Bundeslandes - er gehört also zu den Regierenden Österreichs. Solana dagegen ist ein von niemandem gewählter ernannter internationaler Funktionär, von dem man an sich erwarten sollte, daß er sich mit Werturteilen gegenüber Mitgliedsländern zurückhält.

Der Ausfall des Spaniers gegen den Österreicher nimmt sich um so seltsamer aus, als derselbe Solana etwa gegenüber dem russischen Präsidenten Putin in der Tschetschenien-Frage katzbuckelt und beteuert, es werde keinerlei Sanktionen gegen Moskau wegen der Ermordung Tausender von Zivilisten in Tschetschenien geben. Im Gegenteil: Solana versicherte, die EU sei für eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau auf ganz pragmatische Weise. Das könnte man wirklich als den Gipfel der Scheinheiligkeit bezeichnen.

Natürlich könnte man es Solana, dem ehemaligen Linksradikalen, der vom Nato-Feind zum Nato-Generalsekretär und dann zum "EU-Außenminister" aufstieg mit gleicher Münze heimzahlen. Man könnte etwa fragen, wer dieser unrasierte Typ ist, der in schlechtem Englisch und mit törichtem Lächeln immer wieder banale Allerweltsweisheiten von sich gibt.

Doch dieser Versuchung widerstehen wir. Viel wichtiger ist etwas anderes: nämlich dafür zu sorgen, daß niemals das Einstimmigkeitsprinzip in der EU aufgehoben wird, weil sonst Solana und seinesgleichen die Macht bekämen, mit einzelnen, vor allem kleineren Ländern nach Belieben Schlitten zu fahren. Das Motto ist altbekannt: "Wer dumm ist, bestimme ich."


 
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