© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000


Gescheiterter Boykott
von Alexander Schmidt

Selbst die schärfsten Gegner der Regierungsbildung von Österreichischer Volkspartei und den Freiheitlichen müssen zugestehen, daß auch ein Jörg Haider es innerhalb der zwei Monate seiner Regierungsbeteiligung nicht geschafft hat, Österreichs demokratisches System aus den Angeln zu heben – wenn er überhaupt vorhatte. Jetzt beginnt die Front der Haider-Feinde durch die Macht der politischen Zwänge zu zerbröckeln. Es ist nicht möglich, ein ganzes Land aus bloßer Ablehnung einzelner Parteimitglieder zu ignorieren.

Deshalb ist es auch für Angela Merkel selbstverständlich, daß sie auf ihrer Europareise Wien ebenso besucht "wie jedes andere Land auch". Damit setzt sie als Parteichefin einer der größten Volksparteien in Deutschland ein unübersehbares politisches Signal der Normalität und des Respekts für eine freie Wahlentscheidung in einer Demokratie. Will man weiter auf die konstruktive Mitarbeit Österreichs am vereinten Europa bauen, darf Wien nicht länger angeprangert werden. Inzwischen hat auch die FDP, die wegen der früheren liberalen Verwandtschaft in einem ungleich schwierigeren Verhältnis zu Österreichs Freiheitlichen steht, dazu einen Antrag im Bundestag gestellt, in dem die sofortige Aufhebung der Sanktionen gegen Österreich gefordert wird.

Es zeigt sich erneut, daß der Boykott mangels innerer Überzeugung an der Realpolitik scheitert. Das weiß auch ein Jörg Haider, der während aller Anfeindungen Ruhe bewahrte und in seiner Alpenburg ausharrte, um gestärkt am europapolitischen Spiel teilnehmen zu dürfen.


 
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