© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/00 14. April 2000

 
Die Realität holt die Lüge ein
Kino: "Galaxy Quest – Planlos durchs Weltall" von Dean Parisot
Claus-M. Wolfschlag

Kein Mensch würde annehmen, daß sie richtige Astronauten seien. Nehmen Sie etwa an, daß der Name "Derrick" in den Pensionsbezugsdateien des Bundeskriminalamtes auftaucht? Glauben Sie, daß J.R. Ewing aus Dallas hinter den neuesten Fusionsgerüchten diverser Großkonzerne stehen müßte? Machen Sie sich ernsthaft Gedanken, wer sich das armen Findelkindes Tarzan annehmen könnte, um dieses sozial in unsere Gesellschaft zu integrieren?

Wohl kaum, denn Sie sind ein Mensch. Und Menschen kennen die ständige Präsenz der Lüge. Nicht nur, daß wir selber bisweilen lügen, um uns unangenehme Situationen zu ersparen, daß wir ebenso belogen werden oder uns – zum Beispiel von Politikern – anscheinend gerne belügen lassen wollen. Das kultivierte Lügen, das Schauspielern, ist in der menschlichen Gesellschaft gar seit einigen tausend Jahren zu einem künstlerischen Metier aufgestiegen.

Kein vernünftiger Mensch würde also die Besatzung der "NSEA Protector" in ihren Raumfahreruniformen für echte Astronauten halten. Es waren alles nur Schauspieler der Science-Fiction-Serie "Galaxy Quest", die 1982 aus dem Fernsehprogramm genommen wurde. Fast 20 Jahre später tragen die fünf Hauptdarsteller der Fernsehserie immer noch ihre Kostüme, um damit bei Werbe- und Science-Fiction-Veranstaltungen für treue, nostalgisch veranlagte Anhänger der alten Serie aufzutreten. Kein Mensch würde dieses Grüppchen gealterter Fernsehdarsteller für echte Weltraumhelden halten.

Ganz anders sieht das aber bei Thermianern aus, einer außerirdischen Rasse vom Planeten Klatu Nebel. Diese naiven Wesen kennen weder Lüge noch Verstellung und halten deshalb die von ihnen empfangenen TV-Übertragungen für authentische "Dokumente der Zeitgeschichte" (ganz ähnlich wie möglicherweise unsere menschlichen Nachfahren). Aus diesem Grund holen die Außerirdischen Jason Nesmith alias "Commander Peter Quincy Taggart" (Tim Allen) und seine Mannschaft in ihre Heimat, damit er ihnen helfe, ihre nur allzu realen Widersacher zu bezwingen. Ohne Drehbuch, ohne Regisseur und ohne jegliche Ahnung von den Aufgaben, deren Lösung von ihnen erwartet wird, bemüht sich die abgetakelte Schauspieler-Crew die Rolle ihres Lebens zu übernehmen, besteht zahlreiche brenzlige Situationen und wächst langsam über sich hinaus.

Kein Mensch hätte die Besatzung der "NSEA Protector" für echte Weltraumhelden gehalten. Schließlich handelte es sich nur um Schauspielerei. Doch eine Lüge folgt auf die nächste. Und irgendwann gibt es keine andere Fluchtmöglichkeit mehr, als die Lüge Realität werden zu lassen. Aus Schauspielern werden demnach Menschen, die die Rollen als Teil ihrer eigenen Persönlichkeit übernehmen, die das werden, was sie ursprünglich nur darstellen wollten.

Regisseur Dean Parisot ("Home Fries") übernahm für seinen Streifen "Galaxy Quest" das Motiv des "Fisches auf dem Trockenen" und kombinierte es geschickt mit Science-Fiction-Motiven. Hierzu engagierte er Drehbuch-Autor Robert Gordon, der Regie und Drehbuchschreiben am "Institute of the Arts" in Kalifornien studiert hatte und momentan an einer Fortsetzung des sf-Streifens "Men in Black" arbeitet. Aus seiner Liebe zum Genre macht Gordon keinen Hehl. So zählt er "Westworld" und "Der Omega-Mann" zu seinen persönlichen Favoriten und gibt zu, die Folgen von "Planet der Affen" in einem achtstündigen Marathon im Kino in der Nachbarschaft gesehen zu haben.

Parisots und Gordons Zusammenarbeit kann sich sehen lassen: Herausgekommen ist eine spritzige, ausgesprochen erheiternde Komödie voller Action, die nichts mit den teils albernen Weltraum-Klamotten der siebziger und achtziger Jahre zu tun hat. Die Kostüme sind aufwendig, die Animation perfekt, für Amüsement ist mehr als genug gesorgt – ein Film, der zum Publikumsliebling avancieren dürfte. Welcher Mensch hätte anderes angenommen?


 
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