© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/00 14. April 2000

 
Delikates Mittagessen in der Knesset
Israel: Ein FPÖ-Europaabgeordneter auf Besuch im Heiligen Land
Peter Sichrovsky

Vergangene Woche fuhr ich nach Israel. Mein alter Freund Ronny Scheer begleitete mich. Eingeladen hatte uns eine Gruppe arabischer Abgeordneter im israelischen Parlament, der Knesset.

Es war nicht meine erste Reise ins "Heilige Land". Schon letzten Oktober, kurz nach den Nationalrats-Wahlen in Österreich, besuchte ich den Rabbiner Halberstadt in Tel Aviv und gab eine Pressekonferenz.

Das erste Mal kam ich vor etwa zehn Jahren nach Israel. Sicherlich, ein braver Jude würde sagen, "was, damals war er schon weit über vierzig und war dennoch nie in Israel". Es war so, was soll man machen.

Mein erster Besuch ergab sich auch mehr als zufällig. Während der Waldheim-Zeit wollten israelische Politiker den österreichischen Zeitungen keine Interviews geben. Der damalige israelische Präsident Herzog erklärte sich bereit, eine Ausnahme zu machen. Allerdings unter einer Bedingung: "der jüdische Journalist Sichrovsky" sollte kommen. So kam ich zu meiner ersten Reise nach Israel.

Damals wurde ich als Freund empfangen. Einer, der zwar Österreicher ist, jedoch nicht synonym mit dem "Land der Waldheimer", der "Ewig-Gestrigen", der "Schuld-Verleugner", und so weiter ist, und was unseren Freunden halt sonst noch alles zum Thema Österreich einfiel.

Diesmal hatte sich das Bild verändert. Jetzt war ich einer der "Bösen". Ein israelischer Präsident hätte mich wohl kaum empfangen.

Beim Einchecken am Flughafen fragte mich die Stewardeß, ob ich dieser sei, der mit dem Haider, obwohl er doch Jude ist. Ich nickte, ja, ich sei dieser Bösewicht, der mit dem Haider. Toll, meinte sie, sie wollte mich immer schon einmal kennenlernen.

Fasziniert, abwehrend, neugierig, verärgert, eine Reaktion voller Widersprüche. Das zog sich durch alle Gespräche.

Wir fuhren zur Knesset, Scheer und ich wurden vom Delegationsleiter der arabischen Abgeordenten empfangen. Diese stellen etwa zehn Prozent der Mitglieder in der Knesset. Danach trafen wir zwei jüdische Abgeordnete, dann gab es ein Mittagessen mit den Arabischen Abgeordneten im Speisesaal der Knessetmitglieder. Mehrere Abgeordnete kommen zu unserem Tisch und fragen, ob ich der sei, der mit dem Haider ...

Wieder das gleiche Bild. Faszination, Neugierde, Abwehr, Zweifel.

Wir sprechen mit jüdischen Abgeordneten, die uns versichern, daß sie das Parteiprogramm der FPÖ gelesen hatten und nichts darin finden könnten, was sie erschreckt. Sie würden gerne einen Kontakt zu uns aufbauen, aber nicht offiziell, das ginge nicht, die allgemeine Meinung, die Presse, man müsse verstehen, der Druck sei zu stark.

Von wem, fragen wir. Von vielen Seiten. Der eine müsse auf die Unterstützung eines anderen hoffen und könne es sich nicht mit einem Dritten verscherzen, der nämlich einen Vierten kennt, der besonders einflußreich sei und den Ersten beeinflussen könnte.

Wir hören Ausreden, Ausflüchte, Erklärungen und Entschuldigungen und immer wieder die Beteuerungen, daß hier alle doch wüßten, daß wir dort in Österreich keine Nazis seien. Das sei eben Politik, versucht man uns zu erklären. Das seien alles nicht-offizielle Gespräche, erklärten die jüdischen Abgeordneten. Den einen trafen wir in seinem Zimmer in der Knesset, den anderen im Restaurant der Abgeordneten. Wie geheim waren diese Gespräche? Das sah so aus, wie wenn zwei Verstecken spielen, der eine sich hinter einen Baum stellt und dann laut hustet.

Wir fahren nach zwei Tagen zurück und besuchen im Morgengrauen vor der Abfahrt die Klagemauer. Ich kann nicht verraten, wofür ich dort betete, das ist meine persönliche Angelegenheit.

Später im Flugzeug dachte ich mir allerdings, vielleicht hätte ich den Allmächtigen bitten sollen, mir doch zu erklären, was aus Israel geworden ist in diesen letzten zehn Jahren seit meinem ersten Besuch.

Alle jüdischen Abgeordneten, die mit uns sprachen, sagten danach zu den Journalisten, sie hätten uns eigentlich nur zufällig getroffen, hätten auch gar nicht gewußt, wer wir seien. Die arabischen Knesset-Mitglieder wollten uns sprechen, aber keinen der Journalisten interessierte das. Die jüdischen Abgeordneten warfen uns vor, daß wir uns von den arabischen Kollegen einladen ließen, sie selbst wollten uns zwar nicht offiziell einladen, uns jedoch inoffiziell treffen. Die jüdischen und arabischen Abgeordneten versicherten uns, daß wir all den Wirbel nicht so ernst nehmen sollten.

Es ist nicht einfach, mit jemandem nicht reden zu dürfen, jedoch reden zu wollen, und jedem zu zeigen, daß man auch reden kann, mit wem man will, auch wenn es nicht offiziell ist und nur zufällig passiert, obwohl man das Treffen Tage zuvor vereinbart. Wir sprachen mit Abgeordneten, die uns offiziell nicht kannten, uns mit unseren Namen ansprachen und das Parteiprogramm der FPÖ studiert hatten.

Vielleicht, dachte ich im Flugzeug auf dem Weg nach Brüssel, ist der Widerspruch in der Tat nur ein Hindernis des westeuropäischen Denkens. Nie zuvor wurde mir bewußt, wie sehr Israel sich in den letzten Jahren zu einem orientalischen Land entwickelte.

 

Peter Sichrovsky ist Journalist und für die FPÖ Mitglied im Europäischen Parlament.


 
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