© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/00 07. April 2000

 
Anmaßung der Kunst
Die Reichstag-Installation von Hans Haacke stößt weiterhin auf Ablehnung
Vera Lengsfeld

Bei dem Kunstprojekt von Hans Haacke für den Berliner Reichstag geht es nicht um ein Wohnzimmerbild oder ein nebensächliches schmückendes Element im öffentlichen Raum, sondern um politische Symbolik. Es geht um die Gestaltung unserer Volksvertretung. Der Streit zeigt eine fundamentale Unsicherheit über eine angemessene Repräsentation unserer Demokratie. Und das ist keine bloß ästhetische Frage.

Bedarf die Formel "dem deutschen Volke" auf dem Reichstagsgebäude eines Kommentars? Wer hat das Recht dazu? Ich bin Volks- und kein Bevölkerungsvertreter. Zwischen deutschem Staatsvolk und Einwohnern gibt es wesentliche Unterschiede. Ideologie gibt es für meinen Geschmack bereits genug im Reichstagsgebäude. Herr Haacke scheint seine Probleme mit den Deutschen zu haben – aber die sollte er privat und auf eigene Kosten bewältigen.

Ich sehe keinen Grund, symbolisch von unserer Verfassung und ihrem staatsrechtlichen wie historischen Fundament abzurücken. Auch stört mich, daß die demokratischen Traditionen des deutschen Volkes in solchen dürftigen Zeitgeistkonzepten arrogant übergangen werden. Geschichte wird hier sehr einseitig und volkspädagogisch von oben herab gesehen. Haackes Installation ist rückwärtsgewandt – politisch und ästhetisch. Wir haben auch sehr viel Anlaß, stolz auf die freiheitlichen Traditionen des deutschen Volkes zu sein. Ohne Selbstbewußtsein können wir unsere Zukunft nicht gestalten. Und eben das müssen wir bevorzugt vermitteln.

Ich werde keine Erde aus meinem Wahlkreis beisteuern – und ich werde nicht die einzige sein. Haackes Konzept ist damit gescheitert. Statt die Abgeordneten von seinem Projekt zu überzeugen, will er Druck ausüben, zum Beispiel über den Bundesverband Bildender Künstler, dessen Vorstand meint, wenn Haackes Holztrog nicht aufgestellt werde, gerate die "Gesamtgestaltung des Plenargebäudes" aus dem Gleichgewicht. Blamabel.

Es gilt, die Freiheit der Politik gegen die Anmaßung der Kunst zu verteidigen.

 

Vera Lengsfeld, ehemalige Bürgerrechtlerin in der DDR, ist CDU-Bundestagsabgeordnete.


 
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