© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/00 07. April 2000

 
"Elsässerfranzeesch"
Elsaß: Zweisprachigkeit im Unterricht soll staatsfeindlich sein
Gabriel Andres

Als eine Gefahr für den Zusammenhalt der zentralistisch verfaßten Republik sehen französische Politiker offenbar den zweisprachigen Unterricht im allgemeinen und den elsaß-lothringischen im besonderen an.

Vor einigen Jahren haben sich zwei Vereinigungen im Oberelsaß dazu berufen gefühlt, die elsässische Bevölkerung auf die Gefahren des zweisprachigen deutsch-französischen Unterricht aufmerksam zu machen. Diese Hüter der republikanischen Integrität sehen im zweisprachigen, paritätischen Unterricht "regionalistische, autonomistische und ethnische Konnotationen". Der deutschsprachige Unterricht diene in Wahrheit nur diesen Bestrebungen. Ganz besonders wird der Verein "ABCM-Kindergarten" aufs Korn genommen, dessen langjährige Bemühungen auf diesem Gebiet die öffentliche Meinung sensibilisiert haben. Damit unzufrieden, daß der paritätische Unterricht sich tatsächlich auf einige wenige Schulklassen beschränkt, hat sich ABCM erdreistet, statt der 50-zu-50-Regel zwei Drittel deutschen Unterricht und nur ein Drittel französischen Unterricht zu befürworten! Die Vereinigung wandte sich an die "Republikaner" – das sind ja die Franzosen im Prinzip alle –, um sie zu bitten, eine "Widerstandsbewegung" zum Schutze der regionalen Sprachen und Kulturen zu gründen.

Die Ergebnisse des paritätischen Unterrichts sind ausgesprochen positiv. Pädagogen haben das seit langem bestätigt und stehen auf der Seite der Förderer dieses Unterrichtsmodells. Die Sprachengrenze im Elsaß verläuft auf dem Vogesenkamm und nicht am Rhein. Die bezichtigten Personen sind Lehrer, die sich für eine vollwertige Ausbildung der ihnen anvertrauten Kinder einsetzen. Auch die Autonomisten und Regionalisten verlangen nichts anderes als eine weitgehende Selbstverwaltung für Elsaß-Lothringen.

Einige Verteidiger der Zweisprachigkeit im Elsaß haben unlängst für die französische Sprache im badischen Kehl geworben, zugunsten einer "Bilingualzone"– ein strategischer Kniff, um den Deutschunterricht, quasi als Tauschware, im Elsaß zu fördern. Dabei ist die kleinkarierte Anpassung einiger Lokalpolitiker, die behaupteten, daß nicht Deutsch die Muttersprache ist, sondern Elsässisch, lächerlich. Der Dialekt heißt nicht Elsässisch, sondern "Elsässerditsch" und nicht etwa "Elsässerfranzeesch".


 
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