© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/00 31. März 2000

 
CD: Jazz
Kammermusikalisch
Michael Wiesberg

Drei Neuerscheinungen des rührigen Osnabrücker Labels "Acoustic Music Records" (AMR) sind anzuzeigen: Michael Sagmeisters und Christoph Spendels Album "Binary" (AMR 319.1192.2), Terracottas Album "Savia" (AMR 319.1193.2) und Eric Lugoschs Album "Kind Heroes" (AMR 319.1188.2). Um es vorwegzunehmen: AMR-Produzent Peter Finger, selbst ein herausragender Jazz-Gitarrist, hat einmal mehr einen sicheren Geschmack bewiesen, als er sich für die Produktion dieser drei Alben entschied. Deren Qualität spricht erneut für sich.

Michael Sagmeister (Akustikgitarre) und Christoph Spendel (Piano) gehören zu den interessantesten Duos des deutschen Jazz. Auf ihrer aktuellen Scheibe haben die beiden Musiker auf eine Melange aus Standards und Eigenkompositionen gesetzt. Herausgekommen ist eine sehr kurzweilige Mischung aus klugen Arrangements und intelligenter Ausnutzung der sich bietenden Improvisations-Freiräume. Insbesondere Sagmeister nutzt diese Freiräume, um neue interessante Wendungen auszuspielen. Dies deutet sich bereits bei dem Auftaktstück "Summertime" an, setzt sich in dem elfminütigen "You don’t know what Love is" fort und findet seinen Abschluß in "Burrito vera cruz", einer Komposition von Christoph Spendel, dessen sensibles Spiel am Piano Sagmeister immer wieder Improvisationsfreiräume eröffnet. Kurz und gut: Spendel und Sagmeister haben ein Album vorgelegt, das uneingeschränkt empfohlen werden kann.

Eric Lugosch hat 1997 bei AMR sein Debütalbum "Black Key Blues" vorgelegt. Seinem Thema, Ragtime, Blues und Jazz, ist der in Chicago geborene Lugosch auch auf seinem neuen Album treu geblieben. Ins Auge, oder besser: ins Ohr, sticht die stilistische Vielfalt, die Lugosch auf "Kind Heroes" an den Tag legt. Von coolen Grooves bis hin zu verschachtelten Bass-Riffs, Bendings bis hin zum Calypso-Rhythmus von "St. Thomas", einer Komposition des Jazz-Denkmals Sonny Rollins, reicht seine Bandbreite. Lugosch selbst beschrieb seine musikalischen Erfahrungen einmal wie folgt: "Ich begann, die Musik mit einem Ohr für das Orchestrale zu hören." Auf seinem neuen Album tritt Lugosch auch als Sänger bei drei selbstkomponierten Stücken in Erscheinung. Die Selbstverständlichkeit, mit der Lugosch Gesang und Gitarre verbindet, läßt den Eindruck aufkommen, er hätte nie etwas anderes gemacht. So souverän agiert nur ein Musiker, der als einer "der kreativsten Köpfe der amerikanischen Akustikgitarrenszene" eingestuft werden muß.

Das europäisch-südamerikanische Trio Terracota ist in hiesigen Breiten keineswegs mehr unbekannt. "Savia" ist bereits das dritte Album, das dieses Trio bei AMR vorlegt. Terracota, das sind zwei klassische Gitarren (Veronique Gillet und Fernando Freitez) sowie Perkussion (Carlos Franco). Neben dem Trio ist auf "Savia" als Gast Didier Laloy am Akkordeon zu hören. Auch "Savia" besticht durch die kammermusikalische Qualität, die durch die sensible Interaktion der Musiker geschaffen wird. Über allen Stücken des Albums schwebt eine südamerikanische Atmosphäre, die "Savia" einen geradezu suggestiven Charakter verleiht. Es war übrigens der bekannte brasilianische Jazz-Musiker Egberto Gismonti, der die Belgierin Gillet und den Venezuelaner Freitez zusammenbrachte. Später stieß Carlos Franco, ebenfalls Venezuelaner, hinzu und komplettierte damit das Trio, dessen neuestes Album hoffentlich nicht das letzte bleibt.


 
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