© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/00 31. März 2000

 
Politische Kunst: Hans Haacke sorgt auch in New York für Streit
Mißgriff mit Mülltonnen
Moritz Schwarz

Der Künstler Hans Haacke, zur Zeit bei uns in aller Munde durch sein umstrittenes Reichstag-Kunstwerk "Der Bevölkerung", sorgt nun auch in den Vereinigten Staaten für heftigen Streit. Der 63jährige gebürtige Kölner übersiedelte 1962 in die USA und ist dort heute als Kunstprofessor tätig.

Sein jüngstes Exponat "Sanitation" (zu deutsch "Hygiene"), ein Beitrag zur "2000 Biennial Exhibition" des "Whitney Museum of American Art" in New York, hat nicht nur das Gemüt der verwitweten Schwiegertochter der Museumsstifterin, Mary Lou Whitney, 73, erhitzt ("Gertrude würde sich im Grab herumdrehen"). Prompt drehte Mrs. Whitney den familiären Geldhahn zu. Allerdings finanziert sich das Whitney-Museum inzwischen sowieso nur noch zu einem verschwindend geringen Teil aus dem Millionenvermögen der Familie Whitney.

Gewaltiger ist da schon der Unmut des mächtigen Bürgermeisters von New York, Rudolph Giulani, der im November für einen Sitz im US-Senat kandidiert. Den und andere Politiker hatte Haacke mit "Sanitation" offen angegriffen. Das Werk zeigt eine Parade von halbgeöffneten Mülleimern, "angetreten" vor dem US-Sternenbanner. Links und rechts daneben hat der Künstler ihm mißliebige Zitate von ihm mißliebigen US-Politikern wie den beiden Republikanern Giuliani und Jesse Helms oder dem Präsidentschaftskandidaten Pat Buchanan gesetzt. Die Worte der Politiker hat Haacke in Fraktur gesetzt– jener Schrifttype, die von den Amerikanern gemeinhin mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt wird ("Nazi style script", so die New York Times). Die so inkriminierten Aussagen, sind Inhalts, wie etwa: "Steuern sollten nicht für Müll ausgegeben werden, nur weil einige selbsternannte Experten dumm genug sind, es Kunst zu nennen."

Überdies beschallt Haacke das ganze durch in die Mülltonnen versenkte Lautsprecher mit dem Tritt marschierender Stiefel. Gegenübergestellt wird diesem dubiosen Aufmarsch in Sachen politischer Kunst der erste Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung, der dem US-Bürger die Redefreiheit verbürgt.

Daß diese Interpretation auch andersherum funktioniert, ist Hans Haacke wohl nicht bewußt. Denn die reklamierte Redefreiheit gilt schließlich auch für die von ihm an den Pranger gezerrten Politiker und ihre Äußerungen.

Inzwischen erhält Haacke auch Vorwürfe von der Anti Defamation League, einer jüdischen Menschenrechtsorganisation, die ihm vorwirft, er "trivialisiere den Holocaust". Auch Bürgermeister Giuliani äußerte Bedenken in diese Richtung: Haackes Arbeit stelle eine "schlimme Ungerechtigkeit gegenüber den Opfern dar".

Hans Haacke, sichtlich betroffen, nun einmal selbst Opfer jener Vorwürfe zu sein, die er bislang gewohnt war, gegen andere zu schleudern, sucht Schutz hinter dem Verweis auf seine jüdische Ehefrau. Fernerhin habe er sich doch vielmehr für die Redefreiheit und gegen eine Wiederholung deutscher Geschichte in der amerikanischen Politik gewandt: "Ich bin Deutscher und lebe mit der deutschen Geschichte, und ich sehe Parallelen."

Der Direktor des Whitney steht unterdessen zu seinem Künstler. Auf Anfrage der jungen freiheit bedauerte das Museum, "vielen damit Schmerz zugefügt zu haben".


 
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