© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/00 31. März 2000

 
Kosovo: Brigadegeneral a.D. Heinz Loquai bezweifelt die Kriegsgründe der Nato
Verteidigungsminister der Lüge bezichtigt
Michael Wiesberg

Am 23. März dieses Jahres wurde der Hamburger Friedensforscher Dieter Lutz in einem Interview für die Berliner Morgenpost im Hinblick auf den Kosovo-Krieg mit folgenden Worten zitiert: "Ich teile die Ansicht des deutschen Generals a.D. Loquai: Der amerikanische OSZE-Missionsleiter Walker zündete mit seiner unbewiesenen Version von ’Racak’ (wo die Serben angeblich ein Massaker an Kosovo-Albanern anrichteten, d.V.) die Lunte zum Krieg gegen Jugoslawien. Scharping löschte mit dem ’Hufeisenplan‘ die Kritik an diesem Krieg. Beide Anschuldigungen wurden, Zweifel hin oder her, ungeprüft für wahr ausgegeben und konnten so ihren Zweck erfüllen."

Scharping hat die Vorwürfe des Brigadegenerals der Bundeswehr und früheren OSZE-Beobachters Heinz Loquai inzwischen zurückgewiesen. Wer das sage, so Scharping, sei "ahnungslos oder böswillig". Ein ehemaliger OSZE-Beobachter und Ex-General, der "ahnungslos oder böswillig" den deutschen Verteidigungsminister zu diskreditieren versucht? Statt Fakten, wie zum Beispiel den angeblichen "Hufeisenplan" der Serben mit "allen Details und mit Unterschrift", bietet Scharping nur die in der politischen Auseinandersetzung bestens bekannte rhetorische Figur argumentatio ad hominem. Scharping reagiert mit persönlicher Herabsetzung auf einen konkreten Vorwurf, um dann in bewährter Manier genau das zu wiederholen, was im letzten Jahr landauf und landab heruntergebetet wurde: "Wir haben es geschafft, da Mord, Vertreibung und Gewalt beendet worden sind."

Unverschämter als Scharping hat selten ein deutscher Politiker die deutsche Öffentlichkeit belogen. Um dies zu konstatieren, bedarf es nicht erst des Hinweises auf den kürzlich im britischen TV-Sender BBC2 ausgestrahlten Dokumentarfilm von Alan Little mit dem Titel "Moral Combat: NATO at War" beziehungsweise auf den zeitgleich in der englischen Zeitung Sunday Times erschienenen Artikel "CIA aided Kosovo Guerilla Army" von Tom Walker und Aidan Laverty.

Bereits in der Bundestagsdrucksache 14/1946 vom 1. November 1999 ist dokumentiert, daß Massenmord und Massenaustreibung im Kosovo nicht stattgefunden haben können, steht doch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS zu lesen: "Die Chefanklägerin des IStGHJ (Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, d.V.) hat in ihrem Bericht an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im September 1999 nach Untersuchungen von 102 Grabstellen die Zahl von 1.279 Leichen (!) genannt."

Seit geraumer Zeit sind bezeichenderweise die angeblichen Massenmorde der Serben, die bis zu 100.000 kosovo-albanische Männer gelyncht haben sollen, kein Thema mehr. Nato und Bundesverteidigungsministerium rechnen ganz offensichtlich damit, daß die mediale Öffentlichkeit kein größeres Interesse an den Massengräbern im Kosovo mehr zeigt. Dies mag im Hinblick auf die deutschen Medien noch angehen, gilt aber längst nicht mehr für die französischen und englischen Medien. Letztere haben in Gestalt der Sunday Times und BBC2 die Aufklärung über die wirklichen Ursachen des Kosovo-Krieges ein bedeutendes Stück vorangetrieben. Unter anderen schreiben die Autoren Walker und Laverty in ihrem Artikel: "Zahlreiche Amerikaner, die direkt in CIA-Aktivitäten (im Hinblick auf die UCK, d.V.) verwickelt oder daran beteiligt waren, haben mit den Autoren von ’Moral Combat‘ gesprochen, einer Dokumentation, die heute abend auf BBC2 ausgestrahlt wird. Sie sprachen auch mit der Sunday Times über ihre geheimen Operationen der ’verdeckten Unterstützung‘ der UÇK, die der NATO-Bombardierug des Kosovos vorausgingen."

Diese Informanten gaben nach Angaben der Sunday Times zu, "die Kosovo-Befreiungsarmee ausgebildet zu haben". CIA-Offiziere hätten 1998 und 1999 den Waffenstillstand überwacht, Beziehungen mit der UÇK angeknüpft, ihr militärische Ausbildungspläne gegeben und diese im Hinblick darauf militärisch beraten, – und dies muß man zweimal lesen – "wie man die jugoslawische Armee und serbische Polizei am besten bekämpfe".

Dabei spielten sich UÇK und CIA augenscheinlich gegenseitig die Bälle zu, wird doch in dem BBC2-Film der UÇK-Aktivist Dug Gorani wie folgt zitiert: "Je mehr Zivilisten getötet wurden, desto größer wurde die Chance auf eine internationale Intervention. (…) Ein ausländischer Diplomat sagte mir einmal: ’Schau mal, solange ihr nicht mindestens fünftausend Tote zu bieten habt, werdet ihr niemals irgendwelche ausländischen Mächte im Kosovo stationiert bekommen.‘"

Der Artikel der Sunday Times führt zu einer eindeutigen Schlußfolgerung: augenscheinlich war es von vornherein die Aufgabe der CIA, die Serben in den Krieg zu zwingen. Die Zeitung zitiert einen europäischen Diplomaten, der den einschlägig für seine CIA-Aktivitäten bekannten OSZE-Verhandlungsleiter Walker beschuldigte, eine CIA-Operation zu leiten: "Die amerikanische Delegation war mit ihren diplomatischen Beobachtern, auch bekannt als CIA, bestückt, die mit vollkommen unterschiedlichen Vorgaben arbeiteten als der Rest aus Europa und der OSZE."

Diese Vorgaben, dies ist das Fazit ein Jahr nach Beginn der Kosovo-Krieges, wurden seitens der USA lückenlos umgesetzt. Den dabei entstandenen Flurschaden darf inbesondere die EU in Form von Wiederaufbauhilfen bereinigen.


 
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