© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/00 31. März 2000


Kein Schlußstrich
von Ivan Denes

Die Bundesregierung feiert das Ergebnis der Verhandlungen ihres Sonderbeauftragten, Otto Graf Lambsdorff, als politischen Erfolg. Vergessen scheint die Tatsache zu sein, daß der Bundeskanzler – der als niedersächsischer Ministerpräsident die Lawine der Zwangsarbeiterforderungen im Aufsichtsrat von VW losgetreten hat – nach seinem Amtsantritt zunächst die Position Helmut Kohls übernahm: keine Beteiligung des Bundes, keine Steuerzahlergelder, es sei ein ureigenstes Problem der deutschen Industrie. Dann kamen die ersten Konzessionen – der Bund sei gesonnen, für die Unternehmen einzuspringen, die bei Kriegsende verschwunden sind, für Zwangsarbeit in kommunalen Betrieben, für Zwangsarbeit in der Landwirtschaft. Dann wurde, gemeinsam mit der Industrie, um die Summe selbst gerungen. Ein "letztes Angebot" gab es schon bei acht Milliarden Mark. Nun sind es zehn Milliarden geworden (zusätzlich 50 Millionen Zinsen und ein Beitrag aus dem Fonds der Schweizer Banken in Höhe von 100 Millionen Mark, der völlig unverständlich am Ende der Verhandlungen auftauchte), von denen der deutsche Steuerzahler drei Viertel zu begleichen haben wird, vorausgesetzt, daß die Unternehmen 50 Prozent ihres Beitrages werden absetzen können.

Wer sich jedoch der Illusion hingibt, damit sei alles vorbei, wird ein bitteres Erwachen erleben. Elan Steinberg, der geschäftsführende Direktor des World Jewish Congress (WJC), hat schon vor Wochen versucht, das Terrain für die nächste Runde vorzubereiten. Eine von ihm persönlich erfundene "Sünden-Steuer" (sin tax) soll erhoben werden – einstweilen nur von der Allianz und der Münchener Rückversicherung, aber nicht etwa wegen der vermeintlich nicht bezahlten Versicherungspolicen. Nein. Hier geht es um eine – allerdings zu jener Zeit nicht existierende – finanzielle Beteiligung der beiden großen Versicherungsunternehmen an der Waffenindustrie des Dritten Reiches und um die Präsenz von Aufsichtsräten der beiden Unternehmen in den Führungsgremien verschiedener Industrien, Banken usw.

Ein Schlußstrich wird in der Führungsetage des WJC nicht akzeptiert. Es geht immer um dieselben Leute, die den Angriff einleiten und anführen: Edgar Bronfman, Israel Singer und Elan Steinberg. Ihnen folgt dann die Anwaltsmeute, allen voran der New Yorker Ed Fagan und sein Münchner Kofferträger Michael Witti. Das WJC-Triumvirat wird, bis zur Erledigung der österreichischen Restitutionsaffäre, der Bundesrepublik Ruhe geben. Sie werden jedoch eher früher als später wieder Deutschland ins Visier nehmen: Sie können gar nicht anders; es ist die einzige Berechtigung ihrer Präsenz auf der internationalen Bühne.


 
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