© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/00 31. März 2000

 
Kolumne
Kriegsträume
von Karlheinz Weissmann

Die achtziger Jahre waren ein Höhepunkt in der Begeisterung für den "Latino-Sozialismus", eine merkwürdige Mischung aus linker Grundüberzeugung, Barrikadenromantik und ewiger Suche nach dem "edlen Wilden". "Revolution" klang dabei immer wie eine Mischung aus Cuba libre und "Viva Maria" – Brigitte Bardot und Claudia Cardinale im Mieder hinter der Mitrailleuse. Angefangen hatte es mit der vorsichtigen Sympathie für den Weg Fidel Castros, ging weiter mit den "Che-lebt"-Demonstrationen der Achtundsechziger und endete schließlich bei der "Waffen-für-El- Salvador"-Kampagne, die die taz organisierte.

Nicht ohne Stolz und mit deutlich nostalgischem Ton hat die Redaktion der tageszeitung jetzt darauf hingewiesen, daß in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als vier Millionen Mark für den guten Zweck gesammelt werden konnten. Der Auslöser der Kampagne war 1980 die Ermordung des Erzbischofs Romero durch die in El Salvador herrschende Militärjunta. Der danach eskalierende Bürgerkrieg hat 75.000 Menschen das Leben gekostet, etwa eine Million Bürger des Landes sind geflohen, vor allem in die USA. 1992 konnte endlich ein Friedensvertrag mit der FMLN geschlossen werden, die ihren Kampf auch gegen die zwischenzeitlich eingesetzte zivile Regierung fortgeführt hatte.

Der Rückhalt der FMLN in der Bevölkerung war und ist begrenzt, die Mehrheit der Parlamentssitze und das Amt des Präsidenten haben die rechte ARENA und eine kleinere konservative Partei in ihrer Hand.

Vieles steht auch heute nicht zum besten in diesem mittelamerikanischen Staat, aber die Ursachen für die Misere sind vielfältig, die Probleme kaum kurzfristig zu beheben. Das war auch schon vor zwei Jahrzehnten zu erkennen, wenn man sich nicht vom Widerwillen gegen eine Militärdiktatur zu politischen Kurzschlüssen verleiten ließ oder einmal mehr bereit war, auf die reine revolutionäre Tat zu setzen.

Daß die FMLN in El Salvador ohne Macht geblieben ist, hat dem Land jene üblen Erfahrungen erspart, die Nicaragua nach dem Ende der Somoza-Diktatur mit den Sandinisten – ein anderes Hätschelkind der Progressiven – machen mußte. Und auch für die westdeutsche Linke hat das Ganze sein gutes: Nur solange das Ideal nicht durch die Wirklichkeit beschmutzt wird, kann man den Traum von der edlen Sache noch ein bißchen weiterträumen. Und sich daran erinnern, wie es früher war, in den guten alten Zeiten, als man Geld für die FMLN sammelte, die damit Waffen kaufen und Feinde töten konnte, – natürlich nur böse Menschen.

 

Dr. Karlheinz Weißmann ist Historiker und Studienrat in Göttingen.


 
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